Wissen, Fühlen, Handeln mit KI
Wissen, Fühlen, Handeln mit KI
In der Repräsentativbefragung „Kompass: Kompetenz und Künstliche Intelligenz“ des Projektes Digitales Deutschland haben wir die Selbsteinschätzung und Relevanz von KI-bezogenen Kompetenzen in der Bevölkerung erfragt. Erste Ergebnistendenzen zu den Fähigkeiten und Förderbedarfen von Eltern, im höheren Lebensalter und Migrant*innen werden in den drei folgenden Texten skizziert.
KI kennen ist nicht schwer, Daten schützen aber sehr
Künstliche Intelligenz ist im Kinderzimmer angekommen und Eltern sind herausgefordert. Was aber wissen Eltern über Künstliche Intelligenz und welche Kompetenzen bringen sie mit? Wir liefern Antworten, was Eltern brauchen, um ihre Kinder in einer KI-Welt gut begleiten zu können.
Herausforderungen an die Medienerziehung im Kontext von Künstlicher Intelligenz und Kompetenz
Dieser Beitrag basiert auf der Studie „Kompass: Kompetenz und Künstliche Intelligenz“ des Projekts „Digitales Deutschland“, an der in einer repräsentativen Telefonbefragung im Januar und Februar 2021 1.602 Personen teilgenommen haben. Die Daten werden gerade ausgewertet und die Ergebnisse gesondert veröffentlicht. Das Magazin greift vorab einzelne Zielgruppen heraus. Dieser Beitrag widmet sich den Eltern und stellt für die Altersgruppe der 35- bis 49-Jährigen (insgesamt n = 362 Personen) das Wissen und die Kompetenz von Eltern im Vergleich zu gleichaltrigen Personen ohne Kinder im Haushalt dar (als Eltern werden im Folgenden diejenigen Erwachsenen bezeichnet, die aktuell mit einem oder mehreren Kindern unter 18 Jahren in einem Haushalt zusammenleben. Die übrigen 35-49-Jährigen werden demgegenüber als Erwachsene ohne Kinder im Haushalt (o. K. i. H.) bezeichnet, wobei diese Gruppe u.U. auch Erwachsene umfassen kann, deren Kinder bereits selbst erwachsen und/oder ausgezogen sind). Mehr als die Hälfte der 35- bis 49-Jährigen lebt mit Kindern unter 18 Jahren in einem Haushalt zusammen. Im Schnitt sind diese Befragten 42 Jahre alt, wobei die meisten (über 85 %) mit maximal zwei Kindern unter einem Dach zusammenleben. Knapp zwei Drittel der 35- bis 49-Jährigen haben einen mittleren Bildungsabschluss.
Alexa im Kinderzimmer, Smartwatch am Handgelenk. Künstliche Intelligenz ist im Alltag von Familien angekommen und wird – folgt man Medienberichten – meist unkritisch eingesetzt. Der Zweck heilige die Mittel. Wie sieht es aber in der Realität aus? Welchen Blick auf Künstliche Intelligenz haben Eltern und inwiefern hängt dies mit ihren Kompetenzen bezogen auf digitale Medien zusammen? Dieser Frage gehen wir in diesem Beitrag nach.
Von Robotern und autonomem Fahren: Was denken und wissen Eltern über Künstliche Intelligenz?
Von Robotern bis hin zu autonomem Autofahren: Eltern verbinden mit Künstlicher Intelligenz viele verschiedene – gegenständliche – Dinge. Dabei geht es neben objektiven technischen Neuerungen und Anwendungen, die sie mit KI am häufigsten in Verbindung bringen, auch um eine Chancen- und Risikoabwägung. Zudem bringen sie mit Künstlicher Intelligenz konkrete Mediengeräte und bestimmte Lebensbereiche in Verbindung. Themen wie Daten, die Relevanz und die Folgen solcher Systeme stehen als erste Assoziationen hingegen weniger im Fokus.
Der Begriff „Künstliche Intelligenz“ an sich ist weitgehend bekannt und Eltern kennen ihn nicht mehr oder weniger als Erwachsene o. K. i. H. (in beiden Gruppen ist 94 % der Begriff geläufig). Allerdings trauen sich die Eltern seltener als gleichaltrige Erwachsene zu, den Begriff zu erklären (das geben 33 % der Eltern an gegenüber 44 % der gleichaltrigen Erwachsenen o. K. i. H.). Wenn es darum geht, was 35- bis 49-Jährige konkret über Künstliche Intelligenz wissen, ergeben sich keine großen Unterschiede zwischen Eltern und Erwachsenen ohne Kinder im Haushalt. Tendenziell kennen sich Erwachsene o. K. i. H. etwas besser aus als Eltern, jedoch sind die Unterschiede häufig minimal (bei vier von sieben Fragen beträgt der Unterschied maximal fünf Prozentpunkte). So meinen Eltern beispielsweise eher weniger zu wissen, wie maschinelles Lernen funktioniert.
Kommunikation im Vordergrund: Wie gehen Eltern mit Künstlicher Intelligenz um?
Kompetenz hängt nicht allein von Wissen ab. Kompetenz schließt auch das Handeln der Menschen ein – sei es mit einer Smartwatch, einem Sprachassistenzsystem oder einem Navigationsgerät. Eltern trauen sich hier – anders als beim Wissen – zum Teil mehr zu als gleichaltrige Erwachsene o. K. i. H.. Während beide Gruppen etwa in gleichem Maß Voreinstellungen von KI-Anwendungen anpassen oder technische Probleme beheben können, trauen sich Eltern eher zu, mit einer KI zu kommunizieren (62 % vs. 55 %) sowie die eigenen Daten beim Umgang mit einer KI zu schützen (26 % der Eltern und 19 % der gleichaltrigen Erwachsenen o. K. i. H.).
Doch wie kommen diese selbst eingeschätzten Kompetenzunterschiede zustande? Eine Erklärung mag der Medienumgang bieten. Denn wer KI-Anwendungen nutzt, kann eher den Umgang mit solchen Anwendungen erlernen. Insgesamt haben Eltern mehr Kontakt zu digitalen Geräten als Personen, die nicht mit minderjährigen Kindern zusammenleben. Das gilt nicht nur für gängige technische Hilfsmittel, wie beispielsweise Tablets, sondern auch für KI-Anwendungen, wie Wearables, Navigationsgeräte oder Sprachassistenzsysteme. Besonders ausgeprägt sind die Unterschiede, wenn es um die Nutzung von Spielekonsolen (diese nutzen 44 % der Eltern gegenüber 31 % der gleichaltrigen Erwachsenen o. K. i. H.) und Tablets (74 % der Eltern verwenden sie vs. 58 % der gleichaltrigen Erwachsenen o. K. i. H.) geht. Familien nutzen zudem sowohl das Internet allgemein als auch manche speziellen Medienangebote, so zum Beispiel Messenger (91 % der Eltern nutzen diese täglich gegenüber 77 % der gleichaltrigen Erwachsenen o. K. i. H.) und das Online-Shopping, intensiver als es Gleichaltrige ohne Kinder im Haushalt tun.
Sozial und privat: Kompetenzen von Eltern im Umgang mit digitalen Medien
Schon mit Blick auf das Handeln mit Anwendungen Künstlicher Intelligenz hat sich gezeigt, dass es Unterschiede – wenn auch nicht bei allen Tätigkeiten – gibt. Ist das auch der Fall, wenn wir auf digitale Medien und Systeme blicken? Je nachdem, um welche Kompetenz es sich handelt, schätzen sich mal die Eltern und mal die 35- bis 49-Jährigen ohne Kinder im Haushalt besser ein. Eltern trauen sich eher zu, die Privatsphäre zu schützen (70 % vs. 59 % der gleichaltrigen Erwachsenen o. K. i. H.), sich mühelos mit anderen auszutauschen, angemessen auf Inhalte von anderen zu reagieren sowie sich selbst Grenzen zu setzen (das geben 62 % der Eltern gegenüber 53 % der gleichaltrigen Erwachsenen o. K. i. H. an). Keine bzw. kaum Unterschiede ergeben sich beim Online-Recherchieren und dabei, mögliche Risiken bei der Nutzung von digitalen Medien und Online-Diensten zu erkennen. Worin sich hingegen besonders die Erwachsenen ohne minderjährige Kinder im Haushalt vergleichsweise kompetent einschätzen: Sie können die Glaubwürdigkeit von Inhalten häufiger gut beurteilen (60 % der Eltern vs. 79 % der gleichaltrigen Erwachsenen o. K. i. H trauen sich das zu) sowie technische Probleme beheben (was sich 44 % der Eltern zutrauen gegenüber 57 % der gleichaltrigen Erwachsenen o. K. i. H.).
Die eine Frage ist, was sich Menschen selbst zutrauen, eine ganz andere jedoch, ob sie Fähigkeiten auch wichtig finden. Nehmen sich Erwachsene in den Bereichen als kompetent wahr, die ihnen besonders wichtig sind? Oder ist es vielleicht gerade umgekehrt und sie finden es wichtig, Kompetenzen zu haben, obwohl – oder vielleicht gerade weil – sie sich in diesem Bereich nicht kompetent fühlen (es aber gern wären)? Viele Kompetenzen sind beiden Gruppen in etwa gleich wichtig, so zum Beispiel die Privatsphäre zu schützen, mögliche Risiken zu erkennen, sich selbst Grenzen zu setzen sowie sich online zu informieren. Ein Fokus liegt vor allem auf kritisch-reflexiven Fähigkeiten, die in beiden Gruppen stets mindestens 80 % der Befragten eher/sehr wichtig sind. Kreative und soziale Kompetenzen – wie angemessen auf Inhalte von anderen zu reagieren, Inhalte zur Unterhaltung auszuwählen sowie kreative Inhalte zu teilen – scheinen ihnen hingegen weit weniger wichtig zu sein. In beiden Gruppen sind diese Fähigkeiten maximal 50 % der Befragten eher/sehr wichtig. Eltern legen neben der kritisch-reflexiven Dimension einen gesteigerten Wert auf instrumentell-qualifikatorische Kompetenzen. Ihnen ist es wichtiger, Voreinstellungen an Geräten ändern (das ist 80 % der Eltern wichtig gegenüber 65 % der gleichaltrigen Erwachsenen o. K. i. H.) sowie technische Schwierigkeiten beheben zu können. Auch sich mühelos mit anderen auszutauschen ist eine Kompetenz, die vor allem Eltern am Herzen liegt (82 % der Eltern finden das wichtig gegenüber 69 % der gleichaltrigen Erwachsenen o. K. i. H.). Das kann auch damit zusammenhängen, dass Eltern Messenger-Dienste sehr intensiv nutzen. Hingegen ist es ihnen im Vergleich zu Erwachsenen ohne Kinder im Haushalt etwas weniger wichtig, die Glaubwürdigkeit von Inhalten zu beurteilen. Dies rücken die Erwachsenen o. K. i. H. stärker in den Vordergrund.
Was sich entwickelt, das wird: Haltungen von Eltern zu Künstlicher Intelligenz
Doch was halten Eltern eigentlich von Künstlicher Intelligenz? Bisher wurde vor allem erläutert, was sie darüber wissen und ob sie sich zutrauen, damit umgehen zu können. Nun soll es abschließend um ihre Einstellungen gehen. Die Tatsache, dass Eltern KI-Anwendungen eher nutzen als Personen, die nicht mit Kindern zusammenleben, legt die Vermutung nahe, dass sie diesen Technologien gegenüber aufgeschlossener sind als andere Haushalte. Diese Annahme stützen die Ergebnisse der Studie jedoch nur teilweise. Insgesamt zeigen sich hier nur wenige deutliche Unterschiede zwischen Eltern und Erwachsenen ohne Kinder im Haushalt. Eltern sind deutlich zuversichtlicher, dass der Mensch immer die Kontrolle über Künstliche Intelligenz haben wird (das nehmen 39 % der Eltern an gegenüber 19 % der gleichaltrigen Erwachsenen o. K. i. H.). Auch sehen sie tendenziell in KI eher eine gesellschaftliche Chance und gehen im Vergleich zu Erwachsenen o. K. i. H. eher weniger von negativen Konsequenzen von KI aus, wie zum Beispiel der Gefahr von Manipulation oder Diskriminierung.
Risiken erkennen (können), Vertrauen stärken: Unterstützungsbedarfe bei Eltern
Ein Bedarf an Unterstützung wird dort deutlich, wo die Umgangsweisen und die Selbsteinschätzung der Kompetenzen im Kontrast zur Bedeutung von Kompetenzen stehen. Solch eine Konstellation scheint es angesichts einer intensiveren Nutzung von digitalen Medien bei Kompetenzen wie „Voreinstellungen von Geräten ändern“ und „technische Probleme beheben können“ vorzuliegen. Denkbar ist, dass Eltern eher die Herausforderung erleben, die Voreinstellungen von digitalen Medien an unterschiedliche Umgangsweisen in der Familie anzupassen – eine Anforderung, die gerade dann entstehen kann, wenn auch Minderjährige im Haushalt leben. Hier müssen ggf. im Sinne des Kinder- und Jugendmedienschutzes und/oder der Medienerziehung Einstellungen zwischen unterschiedlichen Nutzer*innen differenziert werden. Aus den Daten geht leider nicht hervor, ob die Geräte und Anwendungen hierfür unzureichende Möglichkeiten bereitstellen, diese zu kompliziert konzipiert sind oder die Eltern sich die Möglichkeiten nur nicht erschließen.
Eine gute Grundlage für die Begleitung von Eltern ist, dass sie dem Umgang mit digitalen Medien grundsätzlich offenbar aufgeschlossen gegenüberstehen – ohne dabei kritisch-reflexive Fähigkeiten gering zu schätzen. Gerade der Schutz von Daten ist hier interessant – auch als Ansatzpunkt für die Arbeit mit Eltern. In Familien ist davon auszugehen, dass gerade von Kindern besonders sensible Daten erfasst werden können, die somit besonders schützenswert sind. Interessant ist, dass Eltern (mit minderjährigen Kindern im Haushalt) intensiver digitale Medien wie Messenger nutzen und zugleich den Eindruck haben, Daten besser schützen zu können als Erwachsene gleichen Alters ohne Kinder im Haushalt. Hier wäre zu ergründen, ob sich diese Einschätzung auf Schutzstrategien stützt, die einen sensiblen Umgang mit selbst geposteten Inhalten vorsehen. Diese Strategien erscheinen in Messengern tauglich, kommen jedoch bei der Datenverarbeitung durch KI an Grenzen. Hier lohnt es, auch differenzierte Schutzstrategien zu entwickeln und zu vermitteln.
Zitation
Pfaff-Rüdiger, S.; Cousseran, L.; Brüggen, N. 2021: KI kennen ist nicht schwer, Daten schützen aber sehr. Im Rahmen des Projektes Digitales Deutschland. Online verfügbar: https://digid.jff.de/magazin/kuenstliche-intelligenz/ki-kompetenzen/#eltern
Digitale Medien im höheren Lebensalter
Welche Unterschiede zeigen sich im höheren Lebensalter im Umgang mit digitalen Medien? Und wie schätzen ältere Menschen die Chancen und Risiken ein, die mit Künstlicher Intelligenz verbunden sind? Der folgende Bericht zeigt erste differenzierte Ergebnistendenzen und macht deutlich, dass das Bild der Älteren als „Generation offline“ längst keine Gültigkeit mehr besitzt.
Erste Ergebnistendenzen der Repräsentativbefragung
Dieser Beitrag basiert auf der Studie „Kompass: Kompetenz und Künstliche Intelligenz“ des Projekts „Digitales Deutschland“, an der in einer repräsentativen Telefonbefragung im Januar und Februar 2021 1.602 Personen teilgenommen haben. Die Daten werden derzeit ausgewertet und im Herbst in einem ausführlichen Bericht veröffentlicht. Das Magazin greift vorab einzelne Zielgruppen heraus. Dieser Text widmet sich dem höheren Lebensalter, das im Rahmen der Auswertung zur besseren Differenzierbarkeit in zwei Alterssegmente aufgeteilt wird (65- bis 74-Jährige, 182 Personen, und über 75-Jährige, 204 Personen). Punktuell findet vergleichsweise dabei auch die Gruppe der 50- bis 64-Jährigen Berücksichtigung (401 Personen). Im Schnitt sind die Befragten 75 Jahre alt, zu 56 Prozent weiblich und haben zu 85 Prozent einen niedrigen (39 %) oder mittleren (45 %) formalen Bildungsabschluss.
Mit einem hohen Anteil von Teilnehmer*innen im höheren Lebensalter spiegelt sich nicht zuletzt in den Befragungsdaten der nachfolgend zitierten Studie wider, was Soziodemograf*innen bereits seit Langem fordern: Es ist dringend geboten, diesen Lebensabschnitt, der allein aufgrund seiner unterschiedlichen Biografien und Lebensentwürfe ausgesprochen vielfältig ist, schärfer in den Fokus zu nehmen.
Blickpunkt: Nutzung digitaler Medien
Digital abseitsstehend? Von wegen!
Wer bei älteren Menschen im Zusammenhang mit digitalen Medien noch das Bild überforderter, unbeholfener Personen mit meist überholten Geräten im Kopf hat, liegt falsch. Zwar ist es richtig, dass die Nutzung digitaler Medien – wie vielfach aus der wissenschaftlichen Literatur hervorgeht – mit steigendem Alter abnimmt. Zu berücksichtigen ist jedoch, bei welchen Prozentpunkten die Werte zu sinken beginnen: So gehört der Gebrauch von PC und Smartphone bei etwa drei Vierteln der Bürger*innen im Alter von 65 bis 74 Jahren längst selbstverständlich zum Alltag und auch die Hälfte der über 75-Jährigen nutzt diese Geräte. Von digital abseitsstehenden Menschen kann somit nicht undifferenziert die Rede sein.
Blickpunkt: Bedeutung vs. Selbsteinschätzung
Egal wie alt: Datenkompetenz ist wichtig
Alle Segmente des höheren Lebensalters verbindet die Auffassung, dass gewisse Kompetenzen für einen souveränen Umgang mit digitalen Medien wichtig sind. Allerdings gestehen sich die Befragten in ihrer Selbsteinschätzung überwiegend ein, dass ihre Fähigkeiten dem beigemessenen Stellenwert nicht entsprechen. So finden sich insbesondere bezüglich der kritisch-reflexiven Fertigkeiten, im Umgang mit Privatsphäre, Risikoerkennung oder Glaubwürdigkeit vereinzelt große Diskrepanzen zwischen Selbsteinschätzung und empfundener Wichtigkeit. Demnach messen 86 Prozent der über 75-Jährigen der Risikoerkennung bei der Nutzung von digitalen Medien und Online-Diensten eine (sehr) hohe Bedeutung bei. Tatsächlich attestiert sich allerdings nur ein Drittel der Befragten diesbezüglich (sehr) gute Kompetenzen. Ähnliche Befunde zeigen sich in der instrumentell-qualifikatorischen Dimension, wenn es darum geht, technische Schwierigkeiten zu beheben. Die Ergebnisse stützen die vielfach postulierte Notwendigkeit einer verstärkten Förderung von Digitalkompetenzen im höheren Lebensalter. Positiv hervorzuheben ist jedoch, dass soziale Kompetenzen in Bezug auf digitale Medien, z. B. die Fähigkeit, sich mühelos mit anderen auszutauschen, bereits bei knapp 70 Prozent der Bürger*innen sowohl im Alter von 65 bis 74 Jahren als auch bei den über 75-Jährigen vorhanden sind. Es lässt sich daher annehmen, dass die Grundvoraussetzungen für eine gesellschaftliche Anschlussfähigkeit im höheren Lebensalter bereits gegeben sind.
Blickpunkt: Motivation und Selbstwirksamkeit
Wie stehen ältere Bevölkerungsgruppen neuen Themen und Herausforderungen gegenüber? Mit welcher Motivation und welcher Aussicht auf Selbstwirksamkeit begegnen sie neuen Handlungssituationen?
Grundsätzlich gibt mehr als die Hälfte der Befragten im höheren Lebensalter an, sich gern neuen Herausforderungen zu stellen. Rund 90 Prozent der älteren Befragten kommen in ihrem Alltag gut zurecht und machen bei der Bewältigung täglicher Aufgaben positive Selbstwirksamkeitserfahrungen. Diese Werte sinken bei Aussagen, die sich im Umgang mit digitalen Medien stellen. Von solchen Fragen ausgeschlossen waren Bürger*innen, die zuvor angegeben hatten, digitale Medien nicht oder nur selten zu nutzen. Eine Auffälligkeit unter den Nutzer*innen des höheren Lebensalters ist allerdings, dass sich das Antwortverhalten mit Blick auf die souveräne Nutzung digitaler Medien verschiebt und rund die Hälfte diese Frage mit „teils, teils“ beantwortet.
Interesse an digitalen Medien: ja – an digitalen Technologien: teils, teils
Betrachten wir die Dimensionen Motivation und Selbstwirksamkeit geschlechtsperspektivisch, so zeichnen sich nur geringfügig Differenzen ab. Eine Ausnahme bildet die Aussage „Digitale Technologien interessieren mich“: Während dies mehr als die Hälfte der Männer ab 65 Jahren bejaht, stimmt nur gut ein Viertel der Frauen dieser Altersgruppe der Aussage zu – zunächst verwunderlich, zumal knapp 40 Prozent der befragten Frauen zuvor Interesse an digitalen Medien bekundete. Stattdessen erweist sich das Antwortspektrum der Frauen nun zu fast 50 Prozent als gespalten. Eine Erklärung könnte in der Wortwahl liegen, so sind digitale Medien zwar als Geräte bekannt, die zugrunde liegende Technologie jedoch nicht.
Blickpunkt: Künstliche Intelligenz
Im Rahmen der Befragung wurde der Blick auch auf das Thema Künstliche Intelligenz gerichtet. Wie lassen sich Wissen, Vorstellungen und Handeln der Bürger*innen im höheren Lebensalter hier einschätzen?
Bezüglich des Nutzungsverhaltens nehmen die Werte mit steigendem Alter ab. So nutzen unter den 50- bis 64-Jährigen noch deutlich mehr als die Hälfte (56 %) täglich eine Suchmaschine, unter den 65- bis 74-Jährigen noch 43 Prozent, während der Wert bei den Hochaltrigen bei gut einem Drittel liegt. Geht es um Technologien wie Gesundheitsmonitoring, Sprachassistenz oder Navigationssysteme, sinkt auch hier die regelmäßige Nutzung mit höherem Alter. Ein Großteil der Bürger*innen ab 65 Jahren nutzt weder digitale Geräte zum Gesundheitsmonitoring noch Sprachassistenzsysteme. Hier wird ein Unterschied zum jüngeren Alterssegment der 50- bis 64-Jährigen sichtbar, die zu einem Drittel Gesundheitsmonitoring betreiben. Lediglich der Gebrauch von GPS-Geräten ist für mehr als 85 Prozent der 65- bis 74-Jährigen sowie für zwei Drittel der über 75-Jährigen mehr oder weniger häufig Teil des alltäglichen Lebens, was eine weiterhin ausgeprägte Mobilität im höheren Lebensalter vermuten lässt.
Technische Schwierigkeiten bereiten Probleme
Generell ist der Unterschied zwischen den Nutzer*innen sowie Nicht- oder Wenignutzer*innen von KI-basierten Systemen ab 65 Jahren groß: So ist es einerseits zwar nicht verwunderlich, dass sich Bürger*innen, die solche Geräte nicht oder nur selten nutzen, nur (sehr) wenig kompetent einschätzen, wenn es darum geht, Voreinstellungen zu ändern, Risiken zu erkennen oder die eigenen Daten schützen zu können – die fehlenden Fertigkeiten in beiden Alterssegmenten werden hier mit Werten zwischen 70 und 90 Prozent angegeben. Andererseits scheinen aber auch die Nutzer*innen von ihren Kompetenzen nicht überzeugt zu sein. Hier bewegt sich die Selbsteinschätzung der fehlenden Fertigkeiten in einem Spektrum von 30 bis knapp 50 Prozent – Werte, die überraschend hoch sind für Personen, die den Umgang mit KI-basierten Systemen gewohnt sind. Einzig die Fähigkeit, technische Schwierigkeiten zu beheben, bereitet sowohl den Nutzer*innen als auch den Nicht- oder Wenignutzer*innen ähnlich viele Probleme.
Ist KI Chance oder Risiko? Eindeutig uneindeutig
Bei der Frage, ob Künstliche Intelligenz als persönliche oder gesellschaftliche Chance oder als Risiko eingestuft wird, sieht die Bevölkerung ab 65 Jahren differenziert. Eine genauere Untersuchung der Daten offenbart jedoch eine leichte Tendenz hinsichtlich der Potenziale, die mit der Entwicklung Künstlicher Intelligenz verbunden sind. So sieht je ein Viertel der 65- bis 74-Jährigen und der über 75-Jährigen in Künstlicher Intelligenz (eher) eine persönliche Chance. In gesellschaftlicher Hinsicht spricht sich jeweils ein Drittel der Altersgruppen für Künstliche Intelligenz als Chance aus. Hervorzuheben ist, dass mehr als 10 Prozent der über 75-Jährigen Befragten Künstliche Intelligenz eindeutig als gesellschaftliche Chance einstufen. Das könnte mit einer durch die Lebenssituation bedingten Sensibilisierung dieser Altersgruppe für KI-basierte medizinische Fortschritte zusammenhängen.
Werfen wir wiederum einen Blick auf die Kategorie Geschlecht, so fällt auf, dass ein Drittel der Männer ab 65 Jahren dazu tendiert, Künstliche Intelligenz (eher) als persönliche Chance zu sehen. Unter den Frauen vertritt diese Ansicht nicht einmal ein Fünftel; Frauen stufen Künstliche Intelligenz zu einem Viertel sogar (eher) als Gefahr ein. Jedoch ordnen sich hier – wie auch unter gesellschaftlichen Gesichtspunkten – die meisten Männer und Frauen in die Antwortoption „teils, teils“ ein.
Die ersten Ergebnistendenzen der Erhebung legen zudem nahe, dass auch der formale Bildungsstand Einfluss auf die Wahrnehmung von Künstlicher Intelligenz im höheren Lebensalter hat. Bürger*innen mit niedriger formaler Bildung tendieren in ihrer Einschätzung von Chancen und Risiken zu einer gespaltenen Meinung oder geben schlicht an, es nicht zu wissen. Generell nimmt dies jedoch über die formalen Bildungsstände hinweg ab, sodass Personen mit höherer formaler Bildung Künstliche Intelligenz sowohl persönlich als auch gesellschaftlich eher oder eindeutig als Chance anerkennen, während Personen mit niedriger formaler Bildung dem eher nicht zustimmen. Einschränkend sei erwähnt, dass ein hoher formaler Bildungsabschluss vor allem unter Hochaltrigen nur zu geringen Teilen vorhanden ist.
Was lässt sich folgern?
Eine verstärkte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem höheren Lebensalter ist nicht nur aus eingangs erwähnter soziodemografischer Sicht unerlässlich. Sie ist auch geboten, weil digitale Medien und Künstliche Intelligenz in ganz unterschiedlichen Dimensionen in die Lebensrealität älterer Menschen Einzug halten. Damit verbunden sind neue Herausforderungen in der Bewältigung des Alltags ebenso wie den Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe. Ja, es ist richtig: Ältere Menschen weisen bereits zu großen Teilen Nutzungserfahrungen mit PC und Smartphone auf und auch von Künstlicher Intelligenz haben schon mehr als 80 Prozent der Bürger*innen im höheren Lebensalter gehört. Für einen selbstbestimmten Umgang und mithin einer gelungenen Lebensführung im Alter bedarf es jedoch weitaus mehr.
Förderbedarfe
Wie unter Expert*innen vielfach gefordert, liegt ein zentraler Unterstützungsbedarf in der Vermittlung kritisch-reflexiver Fertigkeiten, die vor allem im Kontext von Künstlicher Intelligenz und steigender Datafizierung vonnöten sind. Schlüsselwörter sind hier Datenschutz, Glaubwürdigkeit und Risikoerkennung. Zwar haben die Studienergebnisse gezeigt, wie wichtig diese Fähigkeiten für ältere Menschen sind; sie haben jedoch ebenso offengelegt, wie wenige von ihnen sich einen kompetenten Umgang zutrauen. Hier sind in erster Linie zielgruppenadäquate Angebote für ältere Mitbürger*innen gefordert, um – zunächst auf kognitiver Ebene – Aufklärung zu leisten, Informationsofferten zu schaffen und sodann, darauf aufbauend, eine kritische und reflektierte Auseinandersetzung mit digitalen Medien zu ermöglichen. Gleiches gilt für die Debatte darüber, ob Künstliche Intelligenz als Chance oder Risiko zu betrachten ist. Die Tatsache, dass ältere Menschen mit niedriger formaler Bildung sowie Personen über 75 Jahren hierbei vermehrt zu „Weiß nicht“-Antworten oder keinen Angaben tendieren, enthüllt ebenfalls eine mangelnde angemessene Aufklärung über KI-basierte Systeme in diesen Bevölkerungsgruppen. Der hieraus entstehende Informationsbedarf macht es zur Aufgabe, jene hinsichtlich Künstlicher Intelligenz für eine aufgeschlossene, gleichwohl kritische, vor allem aber informierte Haltung zu sensibilisieren. Hinsichtlich digitaler Technologien ergeben sich weitere Förderbedarfe für das höhere Lebensalter insbesondere zwischen den Geschlechtern: So sollte vor allem das Selbst- und Kompetenzerleben von älteren Frauen im Umgang mit digitalen Technologien gestärkt werden, damit sie sich mehr zutrauen und neuen Herausforderungen, die im Zusammenhang mit KI-basierten Anwendungen/Systemen stehen, im Alltag souverän und selbstbewusst begegnen können.
Abschließende Förderbedarfe bei älteren Menschen entstehen ganz grundsätzlich mit Blick auf die Bewältigung ihres Alltags mit sowohl digitalen Medien im Allgemeinen als auch KI-basierten Systemen im Speziellen. Dazu zählen konkrete, analoge Hilfestellungen oder barrierefreie Bedienungsanleitungen, die Nutzer*innen im ersten Schritt handlungsfähig machen und die in Form von Kursen oder ähnlichen Formaten vermittelt werden können. Hier lohnt eine genauere, adressat*innenorientierte Angebotsanalyse der aktuellen Weiterbildungslandschaft für das höhere Lebensalter. Die in der Studie thematisierten Systeme des Gesundheitsmonitorings oder der Sprachassistenz könnten bei alltäglichen Herausforderungen unterstützend greifen, wenn sie von der Zielgruppe als sinnvoll und/oder hilfreich empfunden werden. Aktuell werden diese Geräte nur von einem kleinen Teil der Befragten genutzt. Qualitative Studien können Aufschluss über sowohl konkrete Vorteile oder Wünsche als auch Nutzungshemmnisse geben, die ältere Menschen erleben. Hieran anschließend bietet sich eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Gruppe der Nicht-/Wenignutzer*innen an, um bestehende Nutzungsbarrieren aufzudecken und Wissenslücken zu schließen.
Zitation
Hartung-Griemberg, A.; Rau, S; Derichs, S. 2021: Digitale Medien im höheren Lebensalter. Im Rahmen des Projektes Digitales Deutschland. Online verfügbar: https://digid.jff.de/magazin/kuenstliche-intelligenz/ki-kompetenzen/#hoeheres-lebensalter
Kompetenzen von Menschen mit Migrationshintergrund
Mit Menschen mit Migrationshintergrund wird häufig der Begriff „digital diaspora“ in Verbindung gebracht und somit werden ihnen implizit ausgeprägte Medienkompetenzen zugeschrieben. Welche auf digitale Medien bezogenen Fähigkeiten und Fertigkeiten sie jedoch aufweisen und wie sie Künstliche Intelligenz einschätzen, zeigt der folgende Beitrag auf.
Dieser Beitrag basiert auf der Studie „Kompass: Kompetenz und Künstliche Intelligenz“ des Projekts „Digitales Deutschland“, an der im Januar und Februar 2021 in einer repräsentativen Telefonbefragung 1.602 Personen teilgenommen haben. Die Daten sind noch in der Auswertung. Das Magazin greift vorab einzelne Zielgruppen heraus und veröffentlicht erste Teilergebnisse. Der folgende Beitrag widmet sich Menschen mit Migrationshintergrund (erste und zweite Generation) im Alter von 12 bis 49 Jahren (n = 168) und beschäftigt sich mit Wissen und Kompetenz in Bezug auf Künstliche Intelligenz und allgemein digitale Medien. 57 Personen haben einen Bezug zu einem EU-Land wie Italien, Rumänien, Polen, Österreich, Niederlande oder Frankreich, 111 Personen hingegen stammen aus einem Nicht-EU-Land wie Kasachstan, Syrien, Russland, dem Kosovo, der Türkei oder der Ukraine. 63 % der befragten Migrant*innen aus einem EU-Land sind männlich. Der Migrationshintergrund war bei der Auswahl der Befragten kein Samplingmerkmal, somit sind die Ergebnisse der Teilstudie nicht repräsentativ für die Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Zudem ist es uns bewusst, dass es sich um eine sehr heterogene Gruppe handelt. Die Ergebnisse machen jedoch auf Tendenzen aufmerksam, denen in gesonderten Studien nachgegangen werden kann.
Handys sind für Geflüchtete ein wichtiges Medium für die Entwicklung lokaler Netzwerke und für die Aufrechterhaltung bestehender translokaler Netzwerke der Familie und des Freundeskreises. Im Rahmen der Diskussionen um die digitale Ausstattung von Migrant*innen wird ihnen als Teil einer vermeintlichen digital diaspora oftmals ein hohes Maß an Medienkompetenz zugeschrieben. In diesem Beitrag wollen wir dieser These nachspüren und die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Migrant*innen in Deutschland in Bezug auf digitale Medientechnologien und Künstliche Intelligenz (KI) darstellen und einordnen.
KI-bezogene Kompetenzen: skeptische Zurückhaltung
Wie schätzen Menschen mit Migrationshintergrund ihr Wissen über Künstliche Intelligenz ein und was verstehen sie überhaupt darunter? Migrant*innen verbinden mit Künstlicher Intelligenz an erster Stelle Technologien, in denen diese vorkommt. Sie nennen dabei beispielsweise Sprachassistenzsysteme wie Amazon Echo (Alexa) oder die Software Siri von Apple. Darüber hinaus verkörpern Roboter und Science-Fiction-Figuren aus Filmen wie „I, Robot“ oder „Matrix“ für sie Künstliche Intelligenz.
Ähnlich wie Menschen ohne Migrationshintergrund sagt mehr als ein Drittel der Migrant*innen aus einem EU-Land, sie können gut erklären, was man unter Künstlicher Intelligenz versteht. Bei den Migrant*innen aus Nicht-EU-Ländern sind es etwa zehn Prozent weniger. Neben dem niedrig ausgeprägten Allgemeinwissen über KI haben viele Migrant*innen aus Nicht-EU-Ländern (42 %) im Vergleich zu Menschen ohne Migrationshintergrund und Migrant*innen aus EU-Ländern kaum Kenntnisse über ethische Probleme, die KI mit sich bringt. Mehr als die Hälfte der Migrant*innen aus einem Nicht-EU-Land ist der Meinung, dass Künstliche Intelligenz Menschen bewertet und dass ihnen dadurch Nachteile entstehen können.
Insgesamt zeigt sich in der Untersuchung, dass die befragten Menschen mit Migrationshintergrund reservierter und skeptischer gegenüber Künstlicher Intelligenz sind als Menschen ohne Migrationshintergrund. So sind sie mehrheitlich der Meinung, „Wir werden durch KI noch abhängiger von Technologie als bisher“ – und geben dies häufiger an als Befragte ohne Migrationshintergrund. Knapp die Hälfte der befragten Migrant*innen stimmt der Aussage zu: „Künstliche Intelligenz wird genutzt, um Menschen zu manipulieren.“ Insbesondere Migrant*innen aus dem EU-Ausland (46 %) sind eher nicht der Meinung, dass der Mensch immer Kontrolle über KI haben wird. Hingegen befürchten sie überwiegend (79 %), dass Künstliche Intelligenz Menschen in der Zukunft Arbeitsplätze wegnehmen wird.
Sichtbar wird die beschriebene Skepsis gegenüber Künstlicher Intelligenz ebenfalls in der allgemeinen Einschätzung der Chancen und Risiken, die Künstliche Intelligenz mit sich bringt. Migrant*innen aus EU-Herkunftsländern sind dabei besonders kritisch: 40 % schätzen KI „eher“ oder „eindeutig“ als persönliches Risiko ein, 32 % betrachten KI auf einer gesellschaftlichen Ebene als risikoreich. Migrant*innen aus Nicht-EU-Ländern sowie Befragte ohne Migrationshintergrund sehen KI eher als Chance oder sind eher ambivalent in ihrer allgemeinen Einschätzung von KI.
Auf digitale Medien bezogene Kompetenzen: selbstkritische Mediennutzer*innen
Künstliche Intelligenz ist heutzutage Bestandteil von vielen Anwendungen digitaler Medien und somit in vielen Lebensbereichen integriert. Somit verweisen die medienbezogenen Fähigkeiten und Fertigkeiten auch auf KI-bezogene Kompetenzen. Sind die Migrant*innen nun auch skeptischer digitalen Medientechnologien gegenüber? Wie ist die Selbsteinschätzung der eigenen Kompetenzen der vermeintlich digitalen Diaspora?
Insgesamt nutzen die befragten Menschen mit Migrationshintergrund weitverbreitete digitale Medien (wie z. B. Smartphone und Laptop) ähnlich intensiv wie Menschen ohne Migrationshintergrund. Auch interessieren sie sich auf einem gleich hohen Niveau für digitale Technologien. Schaut man sich jedoch die Selbsteinschätzung der auf digitale Medien bezogenen Kompetenzen an, wird ein Unterschied sichtbar: Die befragten Migrant*innen bewerten ihre Kompetenzen im Durchschnitt seltener gut als Menschen ohne Migrationshintergrund. Insbesondere geben sie an, dass ihre kritisch-reflexiven Fähigkeiten in Bezug auf den Schutz der eigenen Privatsphäre im Internet ausbaufähig sind. Mögliche Risiken im Internet erkennen sie nach eigener Einschätzung vergleichsweise seltener. Vergleichsweise wenige trauen sich zu, die Glaubwürdigkeit von Internetquellen hinreichend beurteilen zu können. Außerdem sind sie der Meinung, dass sie technische Schwierigkeiten nicht so gut selbstständig beheben können. Die Migrant*innen aus EU-Ländern schätzen sich ebenfalls nicht so gut darin ein, Voreinstellungen digitaler Geräte zu ändern. Es fehlen ihnen somit instrumentell-qualifikatorische Fähigkeiten. Zudem gibt eine Mehrheit der befragten Migrant*innen an, sich nicht adäquat Grenzen in der eigenen Mediennutzung setzen zu können.
Spannend in dem Zusammenhang ist, dass die Mehrheit der Migrant*innen genau diese, auf digitale Medien bezogenen Kompetenzen als (sehr bzw. eher) wichtig erachtet. Es sind somit die kritisch-reflexiven und die instrumentell-qualifikatorischen Fähigkeiten, die ausbaufähig sind und bei denen eine mögliche Förderung ansetzen müsste. Besonders die Fähigkeit, die eigene Privatsphäre im Internet zu schützen, mögliche Risiken im Internet zu erkennen, die Glaubwürdigkeit von Internetquellen zu erkennen sowie sich eigene Grenzen bei der Mediennutzung setzen zu können, sind Menschen mit Migrationshintergrund (sehr) wichtig (siehe Abb.3). Menschen ohne Migrationshintergrund erachten diese kritisch-reflexiven Fähigkeiten ebenfalls als wichtig, jedoch bewerten sie ihre Kompetenzen in diesem Bereich auch als eher gut und sehr gut. Somit ist bei dieser Gruppe die Kluft zwischen der Selbsteinschätzung und der Wichtigkeit weniger groß als bei den befragten Migrant*innen.
Ausblick: Ausbau kritisch-reflexiver Fähigkeiten notwendig
Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Mediennutzung der Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund im Alter zwischen 12 und 49 Jahren von der Gruppe der Menschen ohne Migrationshintergrund insgesamt nicht grundlegend unterscheidet. Die Ergebnisse verdeutlichen bei den Migrant*innen die eher selbstkritische Selbsteinschätzung der eigenen auf digitale Medien bezogenen Kompetenzen, die mit Sicherheit, Datenschutz und Glaubwürdigkeit der Information im Internet verbunden sind. Entsprechend dem digitalen Wandel und vermutlich auch durch den kritischen Mediendiskurs geprägt, erachten die Migrant*innen jedoch solche Kompetenzen als wichtig und notwendig. Künstliche Intelligenz stellt für alle Befragten ein komplexes Thema dar, dem die Migrant*innen jedoch skeptischer gegenüberstehen als die Gesamtbevölkerung. Inwiefern dies mit dem beschriebenen Niveau der eigenen Medienkompetenz zusammenhängt, müsste weiter untersucht werden. Deutlich wird jedoch der Bedarf an Unterstützung beim Ausbau der kritisch-reflexiven Fähigkeiten der Migrant*innen, die auch Wissen über KI und die Einschätzung von KI beinhalten sollte.
Zitation
Sūna, L. 2021: Kompetenzen von Menschen mit Migrationshintergrund. Im Rahmen des Projektes Digitales Deutschland. Online verfügbar: https://digid.jff.de/magazin/kuenstliche-intelligenz/ki-kompetenzen/#migrant-innen