Künstliche Intelligenz

Der Einsatz von KI verändert das Wechselverhältnis zwischen Menschen und Maschinen. Somit stellen sich grundlegende Fragen zur Handlungsfreiheit des Menschen und zum kompetenten Umgang mit KI. Diese betreffen die Ebene des individuellen Handelns – haben aber gleichfalls eine gesellschaftliche Dimension. In zehn Expertisen gehen ausgewiesene Expert*innen aus unterschiedlichen Fachbereichen den Frage nach, welche Herausforderungen mit KI einhergehen und wie ein kompetenter Umgang aussehen kann:

Weber

Geschlechterverhältnisse in der digitalisierten Arbeitswelt

„Es gilt nach wie vor, politische Rahmenbedingungen und Voraussetzungen in Bildungsbereichen und in der Arbeitswelt zu schaffen, die bestehenden Geschlechterungleichheiten entgegenwirken, um die innovativen Transformationen durch die Digitalisierung für mehr Geschlechtergerechtigkeit zu nutzen.”

Dr. Lena Weber geht in ihrer Expertise der Frage nach, wie Künstliche Intelligenz in einer digitalisierten Arbeitswelt zur Veränderung von Geschlechterarrangements beitragen kann. Hierzu betrachtet sie drei Bereiche, die, wie sich herausstellt, eng mit KI verbunden sind: Doing Gender, Geschlechtliche Arbeitsteilung auf dem Arbeitsmarkt und Plattformökonomie. Der Einsatz von KI in der Arbeitswelt bringt zahlreiche Veränderungen mit sich, die jedoch kaum neuen Tendenzen bezüglich Geschlechtergerechtigkeit zeigen. Vielmehr werden durch KI oftmals bereits bestehende Ungleichheiten reproduziert.

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Dr. Lena Weber studierte Soziologie und Sozialwissenschaften mit einem Schwerpunkt auf Geschlechterforschung an den Universitäten Bielefeld, Justus-Liebig-Universität Gießen, Paris VII Denis-Diderot und promovierte in Soziologie 2016 an der Universität Paderborn. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Digitalisierung von Arbeit, geschlechtliche Arbeitsteilung, Care Work, Organisationssoziologie, Wissenschafts- und Gleichstellungspolitik. Sie ist Teamleitung des Kompetenzzentrums Frauen in Wissenschaft und Forschung (CEWS) bei GESIS und Mitglied des Sektionsrates Frauen- und Geschlechterforschung in der DGS.

endres
Filipovic

Ethische Urteilsfindung im Kontext von KI-Systemen

„Schließlich geht es der Ethik darum, Menschen zu befähigen, über das Gute und Richtige im Bereich des KI-Einsatzes selbstständig und kompetent nachzudenken.“

Prof. Dr. Susanna Endres und Prof. Dr. Alexander Filipović verhandeln in ihrer Expertise den ethisch-verantwortlichen Umgang mit KI-Systemen. Hierbei beschäftigen sie sich mit der Bedeutung von Künstlicher Intelligenz für den Alltag sowie daraus resultierenden ethischen Anschlussfragen. Jede*r muss für Gestaltung und Nutzung von KI-Systemen auch im ethischen Sinne Verantwortung übernehmen und benötigt hierfür bestimmte Kompetenzen, die über die rein technische Dimension hinausgehen. Diese stellen die Autor*innen ebenso vor wie Wege und Elemente einer ethischen Urteilsfindung.

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Prof. Dr. Susanna Endres ist Professorin für Pädagogik mit Schwerpunkt Medienpädagogik und Digitale Bildung an der Katholischen Stiftungshochschule München. Sie studierte Deutsch und Kunst für das Lehramt an Realschulen und absolvierte den Masterstudiengang „Medien – Ethik – Religion“ an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Nach einem Volontariat im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Lektorat in einem Leipziger Verlag arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FAU und am zem::dg – Zentrum für Ethik der Medien und der digitalen Gesellschaft. In ihrer Promotion an der FAU beschäftigt sie sich mit medienethischen Bildungs- und Kompetenzkonzepten im Kontext der Digitalisierung sowie deren didaktischen Anschlussfragen.

Prof. Dr. Alexander Filipović ist Universitätsprofessor für Sozialethik der Universität Wien. Nach einem Studium der Kath. Theologie, Kommunikationswissenschaft und Germanistik promovierte Alexander Filipović 2006 mit einer medienethischen Dissertation in Bamberg. Seine Habilitationsschrift an der Universität Münster 2012 erforscht Grundlagenfragen Christlicher Sozialethik in Auseinandersetzung mit dem Philosophischen Pragmatismus. Bis Januar 2021 war er Professor für Medienethik an der Hochschule für Philosophie in München. Er ist Fellow am zem::dg – Zentrum für Ethik der Medien und der digitalen Gesellschaft, betreibt einen Blog (www.unbeliebigkeitsraum.de) und gibt die medienethische Zeitschrift Communicatio Socialis mit heraus. Er arbeitete 2018-2020 als sachverständiges Mitglied in der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zur Künstlichen Intelligenz und ist Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).

Poellinger

Von der Informations- zur Kompetenzplattform

Die öffentliche Bibliothek als Befähigungsraum für digital kompetente Communitys

„Als Ort für alle ermöglicht die öffentliche Bibliothek uns Bürger*innen, den gesellschaftlichen Wandel reflektiert mitzugehen und gemeinsam aktiv mitzugestalten.“

Dr. Roland Poellinger diskutiert in seiner Expertise die Rolle der öffentlichen Bibliothek als Raum für die Förderung von Medienkompetenz und digitale Inklusion. Er skizziert, wie die öffentliche Bibliothek auf verschiedenen Ebenen zu digitaler Inklusion beiträgt – indem sie Zugang zu Technik und digitalen Inhalten schafft, Angebote zur Förderung digitaler Kompetenzen bietet und einen Raum eröffnet, in dem digitale Kultur und demokratische Gesellschaft erfahrbar wird.

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Dr. Roland Poellinger ist Philosoph und Computerlinguist. Er lehrte und forschte mit Schwerpunkt in den Bereichen formale Erkenntnistheorie, philosophische Logik und Grundlagen künstlicher Intelligenz am Munich Center for Mathematical Philosophy der LMU München. Seit 2018 leitet er das Team eServices bei der Münchner Stadtbibliothek mit dem Themenspektrum von Bibliothekstechnologien über digitale Plattformen und User Experience bis zu Statistik und Datenanalyse. Zentrale Arbeitsgrundlage ist die Digitale Strategie der Münchner Stadtbibliothek, die von Roland Poellinger verantwortet wird.

Beudt

Künstliche Intelligenz und Inklusion

„Neben Forschung und Entwicklung braucht es bessere Angebote zur Orientierung für Unternehmen und Akteure aus der beruflichen Rehabilitation, um bisher ungenutzte Potenziale von KI für Menschen mit Behinderungen zu heben.”

Susan Beudt erörtert in ihrem Beitrag die Bedeutung von KI zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen sowie zur Förderung von Teilhabe, insbesondere im Bildungs- und Arbeitskontext. Dabei gibt sie Einblicke, wie KI-Technologien zum Abbau von Barrieren und Zugangsbeschränkungen beitragen können und geht auf die Bedeutung von inklusiver Gestaltung und Nutzung von KI-Technologien ein. Zudem beleuchtet sie die Frage nach erforderlichen Kompetenzen und Rahmenbedingungen in Bezug auf den Umgang mit KI zur Förderung eines autonomen, selbstbestimmten Lebens von Menschen mit Behinderungen und zeigt Handlungsfelder und -empfehlungen auf.

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Susan Beudt leitet seit 2019 verschiedene angewandte Forschungsprojekte im Educational Technology Lab des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Hier befasst sie sich mit Potenzialen, Herausforderungen und Perspektiven von KI im Kontext von Arbeit, Bildung und beruflicher Teilhabe. Impulse aus der Forschung konnte sie etwa in die Arbeit der Enquête-Kommission Künstliche Intelligenz des Deutschen Bundestages (Bereich KI und Arbeit, Bildung, Forschung) sowie im Rahmen des G7 Global Inclusion Summits 2022 einbringen. Sie ist Konsortialleiterin des Projekts „KI-Kompass Inklusiv – Kompetenzzentrum für KI-gestützte Assistenztechnologien und Inklusion in der Arbeitswelt“ (BMAS-Förderung, Ausgleichsfonds). Werdegang: Studium der Psychologie an der Universität Leipzig, währenddessen Forschung am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Im Anschluss daran wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Experimentelle Psychologie an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg.

 

Schultze

Künstliche Intelligenz in den Medizin- und Lebenswissenschaften

„Im Fachgebiet wird davon ausgegangen, dass die Kenntnisse in der Bevölkerung über den realistischen Einsatz von KI in Medizin und Lebenswissenschaften nicht ausreichend sind.“

Prof. Dr. Joachim Schultze schafft in seiner Expertise einen Überblick über den Einsatz und Perspektiven zu Künstlicher Intelligenz in der Medizin und in den Lebenswissenschaften. Ein Ausschöpfen des Potenzials für Diagnostik, Therapie und Wissenschaft kann seiner Meinung nach nur mit einer wohlwollenden Grundhaltung und kritischen Offenheit der Bevölkerung gegenüber neuen Technologien einhergehen. Hierfür betont er die Notwendigkeit von Informations- und Aufklärungskampagnen für alle Bürger*innen und Bürger, sodass diese ein wirklichkeitsnahes Grundverständnis für die Möglichkeiten für KI entwickeln können.

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Diethelm

Künstliche Intelligenz in der Informatik

“Der Zustand, mit dem Kinder und Jugendliche sowie alle Bürger*innen umgehen können müssen, ist der Zustand des stetigen Wandels.”

Prof. Dr. Ira Diethelm diskutiert in ihrer Expertise das Wissen über Künstliche Intelligenz und digitale Veränderungen als notwendige Voraussetzung für die Mündigkeit, Partizipation und gesellschaftlicher Mitgestaltung. In ihrem Vorschlag für eine didaktische Ausgestaltung einer „KI-Literalität“ hebt sie die Rolle der Didaktik der Informatik zur Aufbereitung von Unterrichtsgegenständen hervor und plädiert für eine verpflichtende Etablierung von Kompetenzen zu Künstlicher Intelligenz und der allgemeinen Informatik im Schulsystem.

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Ira Diethelm ist Mitglied des Präsidiums der Gesellschaft für Informatik e.V. und im Digitalrat Niedersachsen. Sie hat seit 2011 an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg die Professur für Didaktik der Informatik inne und ist dort vielfältig in der Lehrkräftebildung in Informatik und digitaler Bildung verantwortlich. Zuvor hat sie dort die Stiftungsprofessur „Informatik in der Bildung“ vertreten. Von 2001 bis 2008 war Ira Diethelm Lehrerin für Mathematik, Chemie und Informatik an einem Gymnasium in Braunschweig und hat parallel zum Schuldienst an der Universität Kassel 2007 promoviert.


Lamla

Selbstbestimmtes Verbraucherhandeln in KI-gestützten IT-Infrastrukturen

„Die Reproduktion kritischer Bewertungskompetenzen und selbstbestimmter Subjekte ist mithin alles andere als trivial.“

Im Mittelpunkt der Betrachtungen der Expertise von Prof. Dr. Jörn Lamla steht das Moment der Selbstbestimmung beim Konsumhandeln, das durch KI-Technologien ungleich schwieriger geworden ist und Verbraucher*innen vor allem kritische Kompetenzen abverlangt. Dabei stehen Fragen im Fokus, wie: Wie bilden sich Bewertungsmaßstäbe aus? Wie (können) Bewertungssysteme erkannt, evaluiert und für das eigene Handeln sowie Entscheiden nutzbar gemacht werden? 

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Jörn Lamla ist Professor für Soziologische Theorie sowie Direktor am Wissenschaftlichen Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung (ITeG) an der Universität Kassel. Er ist Mitglied des BMBF-geförderten „Forum Privatheit“ sowie Gründungsdirektor im hessischen Zentrum verantwortungsbewusste Digitalisierung (ZEVEDI), wo er derzeit u.a. in einer Projektgruppe zum Thema „Verantwortungsdiffusion durch Algorithmen“ forscht. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Sozial- und Gesellschaftstheorie, in der Politischen Soziologie und in zeitdiagnostischen Analysen zu Digitalität und Konsum. Er ist langjähriges Mitglied und seit 2019 Sprecher des Bundesnetzwerks Verbraucherforschung mit Geschäftsstelle beim BMJV.


Mayrberger

Künstliche Intelligenz in den Bildungswissenschaften

„Deutlich wird bei dem verantwortungsbeladenen Thema KI und Learning Analytics im Bildungskontext vor allem, dass für die Gruppe der Lehrenden eine Bildungsdatenkompetenz Voraussetzung sein muss.“

Prof. Dr. Kerstin Mayrberger diskutiert in ihrer Expertise Herausforderungen, Chancen und Perspektiven von KI und Learning Analytics im formalen Bildungsbereich. Dabei stellt sie heraus, dass Bildungsdatenauswertung mittels KI unter Beachtung rechtlicher und ethischer Standards potenziell zu besseren individualisierten und diversitätsgerechteren Entscheidungen im Kontext von Lehren und Lernen führen kann. Eine Bildungsdatenkompetenz der Lehrenden sieht sie als Voraussetzung einer verantwortungsvollen und kritischen Nutzung dieser Potenziale.  

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Univ.-Prof. Dr. phil. Kerstin Mayrberger (Jg. 1977) studierte Lehramt und Magister Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt Medienpädagogik an den Universitäten Lüneburg und Hamburg. Nach Stationen als Professorin an den Universitäten Mainz und Augsburg ist sie seit 2014 an der Universität Hamburg als Professorin für Lehren und Lernen an der Hochschule mit dem Schwerpunkt Mediendidaktik und Forschungsfokus auf Digitale Transformation und Higher Education tätig. Ihre aktuellen Interessen liegen mit Fokus auf Hochschulbildung auf Open Educational Practices (OEP) sowie Professionalisierung unter den Bedingungen von Digitalisierung und einer Kultur der Digitalität. Nach Entwicklung des Ansatzes einer partizipativen Mediendidaktik setzt sie sich aktuell mit der Adaption agiler Ansätze auf den Bildungsbereich auseinander, die sie im Ansatz „Agile Educational Leadership“ (AEL) zusammenführt.

Persönliche Website: https://mayrberger.de/


 

Gapski

Künstliche Intelligenz und kritische Medienbildung

„KI stellt den Menschen […] vor fundamentale Fragen seiner Identität, Souveränität und Freiheit.“

Dr. Harald Gapski beschreibt Künstliche Intelligenz als eine Dimension der digitalen Transformation der Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund diskutiert er sowohl technologische, ökonomische, rechtliche, politische und ethische, als auch pädagogische und qualifikatorische Herausforderungen. Im Zentrum seiner Überlegungen stehen reflexive und selbstreflexive Bildungsaspekte, die im Sinne einer Kritikfähigkeit, Urteilskraft und Mündigkeit für ein selbstbestimmtes, souveränes Leben in einer zunehmend von KI-Anwendungen durchdrungenen Welt von Bedeutung sind. 

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Dr. Harald Gapski leitet den Bereich Forschung am Grimme-Institut in Marl, arbeitet in Projekten des Grimme-Forschungskollegs an der Universität zu Köln und ist Mitglied im Beirat des Center for Advanced Internet Studies (CAIS) in Bochum. Studium der Kommunikationswissenschaft in Essen und Fulbright-Stipendiat an der New School (NY, USA). Externer Sachverständiger der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestags (2011) und des Projektbeirates des Bundes (BIBB, 2014/15). Aktuelle Arbeiten zu Medienbildung und Big Data, Social Scoring und digitale Souveränität.


Portrait Hofmann

Demokratie und Künstliche Intelligenz

„Im Sinne gesellschaftlicher Selbstbestimmung wird es darauf ankommen, ein realistischeres Bild […] vor allem auch von den Grenzen und Schwächen maschinellen Lernens zu entwickeln.“

Prof. Dr. Jeanette Hofmann erörtert in ihrer Expertise, welchen Beitrag die Politikwissenschaft zur öffentlichen Verständigung über das Phänomen der Künstlichen Intelligenz leisten kann. Dabei richtet sie ihren Blick auf die Beziehung zwischen algorithmischen Analysen, die heute als „Künstliche Intelligenz“ bezeichnet werden, und demokratischer Selbstbestimmung, insbesondere in Hinblick auf politische Willensbildung und Partizipation. Sie plädiert dafür, sich vom Mythos der „denkenden Maschine“ zu verabschieden und algorithmische Urteile als spezifische Lesarten neben anderen Lesarten der Welt einzuordnen. Dann, so Hoffmann, kann maschinelles Lernen den politischen Diskurs tatsächlich erweitern und bereichern, statt ihn überflüssig zu machen.

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Prof. Jeanette Hofmann ist Politikwissenschaftlerin und Digitalisierungsforscherin. Am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung leitet sie die Forschungsgruppe ‚Politik der Digitalisierung‘. Sie ist Gründungsdirektorin am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft und Professorin für Internetpolitik an der Freien Universität Berlin. Zudem leitet sie als Principal Investigator zwei Forschungsgruppen am Weizenbaum Institut für die vernetzte Gesellschaft. Zu ihren aktuellen Forschungsthemen gehören die digitale Demokratie und ihr Wandel im Zuge der Nutzung algorithmischer Systeme. In ihrer Arbeit verbindet sie politikwissenschaftliche mit techniksoziologischen Forschungsansätzen.