Künstliche Intelligenz
Was bedeutet kompetentes Handeln im Umgang mit KI-Systemen? Wir verstehen unter KI (Künstlicher Intelligenz) Technologien, die Menschen nutzen können, um Denk- und Handlungsvollzüge zu erweitern und funktional zu ersetzen (vor allem in den Bereichen des Wahrnehmens, des Verarbeitens natürlicher Sprache, des Schlussfolgerns, der Lernsteuerung und des Vorausplanens). Der Einsatz von KI verändert damit das Wechselverhältnis zwischen Menschen und Maschinen und wirft grundlegende Fragen zur Handlungsfreiheit des Menschen auf. Dies betrifft die Ebene des individuellen Handelns – hat aber gleichfalls eine gesellschaftliche Dimension.
Diesen Fragen gehen wir Projekt Digitales Deutschland nach. Der Kompetenz im Umgang mit KI Technologien widmen wir uns sowohl in der Repräsentativbefragung Kompass: Kompetenz und Künstliche Intelligenz als auch in mehreren qualitativen Studien. Dabei fokussieren wir auf KI-Technologien, die in direkt nutzbaren Anwendungen oder als Hintergrundtechnologien in der Alltagswelt integriert sind (wie bspw. Empfehlungssysteme). Eine Grundlage dafür bieten fünf Expertisen, die ausgewiesene Expert*innen für das Projekt verfasst haben.

Künstliche Intelligenz in der Informatik
“Der Zustand, mit dem Kinder und Jugendliche sowie alle Bürger*innen umgehen können müssen, ist der Zustand des stetigen Wandels.”
Prof. Dr. Ira Diethelm diskutiert in ihrer Expertise das Wissen über Künstliche Intelligenz und digitale Veränderungen als notwendige Voraussetzung für die Mündigkeit, Partizipation und gesellschaftlicher Mitgestaltung. In ihrem Vorschlag für eine didaktische Ausgestaltung einer „KI-Literalität“ hebt sie die Rolle der Didaktik der Informatik zur Aufbereitung von Unterrichtsgegenständen hervor und plädiert für eine verpflichtende Etablierung von Kompetenzen zu Künstlicher Intelligenz und der allgemeinen Informatik im Schulsystem.
Ira Diethelm ist Mitglied des Präsidiums der Gesellschaft für Informatik e.V. und im Digitalrat Niedersachsen. Sie hat seit 2011 an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg die Professur für Didaktik der Informatik inne und ist dort vielfältig in der Lehrkräftebildung in Informatik und digitaler Bildung verantwortlich. Zuvor hat sie dort die Stiftungsprofessur „Informatik in der Bildung“ vertreten. Von 2001 bis 2008 war Ira Diethelm Lehrerin für Mathematik, Chemie und Informatik an einem Gymnasium in Braunschweig und hat parallel zum Schuldienst an der Universität Kassel 2007 promoviert.

Künstliche Intelligenz in den Medizin- und Lebenswissenschaften
„Im Fachgebiet wird davon ausgegangen, dass die Kenntnisse in der Bevölkerung über den realistischen Einsatz von KI in Medizin und Lebenswissenschaften nicht ausreichend sind.“
Prof. Dr. Joachim Schultze schafft in seiner Expertise einen Überblick über den Einsatz und Perspektiven zu Künstlicher Intelligenz in der Medizin und in den Lebenswissenschaften. Ein Ausschöpfen des Potenzials für Diagnostik, Therapie und Wissenschaft kann seiner Meinung nach nur mit einer wohlwollenden Grundhaltung und kritischen Offenheit der Bevölkerung gegenüber neuen Technologien einhergehen. Hierfür betont er die Notwendigkeit von Informations- und Aufklärungskampagnen für alle Bürger*innen und Bürger, sodass diese ein wirklichkeitsnahes Grundverständnis für die Möglichkeiten für KI entwickeln können.

Künstliche Intelligenz in den Bildungswissenschaften
„Deutlich wird bei dem verantwortungsbeladenen Thema KI und Learning Analytics im Bildungskontext vor allem, dass für die Gruppe der Lehrenden eine Bildungsdatenkompetenz Voraussetzung sein muss.“
Prof. Dr. Kerstin Mayrberger diskutiert in ihrer Expertise Herausforderungen, Chancen und Perspektiven von KI und Learning Analytics im formalen Bildungsbereich. Dabei stellt sie heraus, dass Bildungsdatenauswertung mittels KI unter Beachtung rechtlicher und ethischer Standards potenziell zu besseren individualisierten und diversitätsgerechteren Entscheidungen im Kontext von Lehren und Lernen führen kann. Eine Bildungsdatenkompetenz der Lehrenden sieht sie als Voraussetzung einer verantwortungsvollen und kritischen Nutzung dieser Potenziale.
Univ.-Prof. Dr. phil. Kerstin Mayrberger (Jg. 1977) studierte Lehramt und Magister Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt Medienpädagogik an den Universitäten Lüneburg und Hamburg. Nach Stationen als Professorin an den Universitäten Mainz und Augsburg ist sie seit 2014 an der Universität Hamburg als Professorin für Lehren und Lernen an der Hochschule mit dem Schwerpunkt Mediendidaktik und Forschungsfokus auf Digitale Transformation und Higher Education tätig. Ihre aktuellen Interessen liegen mit Fokus auf Hochschulbildung auf Open Educational Practices (OEP) sowie Professionalisierung unter den Bedingungen von Digitalisierung und einer Kultur der Digitalität. Nach Entwicklung des Ansatzes einer partizipativen Mediendidaktik setzt sie sich aktuell mit der Adaption agiler Ansätze auf den Bildungsbereich auseinander, die sie im Ansatz „Agile Educational Leadership“ (AEL) zusammenführt.
Persönliche Website: https://mayrberger.de/

Selbstbestimmtes Verbraucherhandeln in KI-gestützten IT-Infrastrukturen
„Die Reproduktion kritischer Bewertungskompetenzen und selbstbestimmter Subjekte ist mithin alles andere als trivial.“
Im Mittelpunkt der Betrachtungen der Expertise von Prof. Dr. Jörn Lamla steht das Moment der Selbstbestimmung beim Konsumhandeln, das durch KI-Technologien ungleich schwieriger geworden ist und Verbraucher*innen vor allem kritische Kompetenzen abverlangt. Dabei stehen Fragen im Fokus, wie: Wie bilden sich Bewertungsmaßstäbe aus? Wie (können) Bewertungssysteme erkannt, evaluiert und für das eigene Handeln sowie Entscheiden nutzbar gemacht werden?
Jörn Lamla ist Professor für Soziologische Theorie sowie Direktor am Wissenschaftlichen Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung (ITeG) an der Universität Kassel. Er ist Mitglied des BMBF-geförderten „Forum Privatheit“ sowie Gründungsdirektor im hessischen Zentrum verantwortungsbewusste Digitalisierung (ZEVEDI), wo er derzeit u.a. in einer Projektgruppe zum Thema „Verantwortungsdiffusion durch Algorithmen“ forscht. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Sozial- und Gesellschaftstheorie, in der Politischen Soziologie und in zeitdiagnostischen Analysen zu Digitalität und Konsum. Er ist langjähriges Mitglied und seit 2019 Sprecher des Bundesnetzwerks Verbraucherforschung mit Geschäftsstelle beim BMJV.

Künstliche Intelligenz und kritische Medienbildung
„KI stellt den Menschen […] vor fundamentale Fragen seiner Identität, Souveränität und Freiheit.“
Dr. Harald Gapski beschreibt Künstliche Intelligenz als eine Dimension der digitalen Transformation der Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund diskutiert er sowohl technologische, ökonomische, rechtliche, politische und ethische, als auch pädagogische und qualifikatorische Herausforderungen. Im Zentrum seiner Überlegungen stehen reflexive und selbstreflexive Bildungsaspekte, die im Sinne einer Kritikfähigkeit, Urteilskraft und Mündigkeit für ein selbstbestimmtes, souveränes Leben in einer zunehmend von KI-Anwendungen durchdrungenen Welt von Bedeutung sind.
Dr. Harald Gapski leitet den Bereich Forschung am Grimme-Institut in Marl, arbeitet in Projekten des Grimme-Forschungskollegs an der Universität zu Köln und ist Mitglied im Beirat des Center for Advanced Internet Studies (CAIS) in Bochum. Studium der Kommunikationswissenschaft in Essen und Fulbright-Stipendiat an der New School (NY, USA). Externer Sachverständiger der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestags (2011) und des Projektbeirates des Bundes (BIBB, 2014/15). Aktuelle Arbeiten zu Medienbildung und Big Data, Social Scoring und digitale Souveränität.

Demokratie und Künstliche Intelligenz
„Im Sinne gesellschaftlicher Selbstbestimmung wird es darauf ankommen, ein realistischeres Bild […] vor allem auch von den Grenzen und Schwächen maschinellen Lernens zu entwickeln.“
Prof. Dr. Jeanette Hofmann erörtert in ihrer Expertise, welchen Beitrag die Politikwissenschaft zur öffentlichen Verständigung über das Phänomen der Künstlichen Intelligenz leisten kann. Dabei richtet sie ihren Blick auf die Beziehung zwischen algorithmischen Analysen, die heute als „Künstliche Intelligenz“ bezeichnet werden, und demokratischer Selbstbestimmung, insbesondere in Hinblick auf politische Willensbildung und Partizipation. Sie plädiert dafür, sich vom Mythos der „denkenden Maschine“ zu verabschieden und algorithmische Urteile als spezifische Lesarten neben anderen Lesarten der Welt einzuordnen. Dann, so Hoffmann, kann maschinelles Lernen den politischen Diskurs tatsächlich erweitern und bereichern, statt ihn überflüssig zu machen.
Prof. Jeanette Hofmann ist Politikwissenschaftlerin und Digitalisierungsforscherin. Am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung leitet sie die Forschungsgruppe ‚Politik der Digitalisierung‘. Sie ist Gründungsdirektorin am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft und Professorin für Internetpolitik an der Freien Universität Berlin. Zudem leitet sie als Principal Investigator zwei Forschungsgruppen am Weizenbaum Institut für die vernetzte Gesellschaft. Zu ihren aktuellen Forschungsthemen gehören die digitale Demokratie und ihr Wandel im Zuge der Nutzung algorithmischer Systeme. In ihrer Arbeit verbindet sie politikwissenschaftliche mit techniksoziologischen Forschungsansätzen.