Begriffe2Go
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Personas zu erstellen erfordert neben der Verwendung einer soliden Datenbasis auch eine besondere Sensibilität bei der Auswahl von Kriterien und der Darstellung der daraus resultierenden Nutzer*innenprofile. Dabei gilt es vor allem, die Reproduktion von Klischees und Stereotypen sowie pauschale Annahmen über Zielgruppen zu vermeiden. Die folgenden Begriffe geben einen Überblick darüber, welche Aspekte in der Konzeption von Personas in Verbindung mit der Datengrundlage achtsam und kritisch zu berücksichtigen sind.
Stereotypisierung
„Smombies“ und „Silver Surfer“? Es ist eine Gratwanderung beim Erstellen von Personas, heterogene Zielgruppen auf überschaubare, repräsentative Nutzer*innenprofile herunterzubrechen und dabei nicht in Stereotype oder Klischees zu verfallen. Die Gefahr, mit Personas Stereotype zu reproduzieren, sehen auch Marsden et al. (2015) und benennen es als dringende Notwendigkeit, dass „(…) Personas als Möglichkeit begriffen werden [sollten], (…) das Fortschreiben bestehender Geschlechterstereotype zu reflektieren“ (S. 120).
In der Ausarbeitung von Personas sollte daher sichergestellt sein, dass die ausgewählten Merkmale auf einer differenzierten Datengrundlage basieren und nicht auf der Voreingenommenheit gegenüber demografischen Gruppen. Das passiert schneller, als man denkt, denn jeden Tag beeinflussen, meist unbewusst, Stereotype unser Denken. Aber was sind Stereotype eigentlich und was passiert aus neurowissenschaftlicher Perspektive bei einer Stereotypisierung?
Der Begriff „Stereotyp“ kommt ursprünglich aus dem Griechischen: „stereos“ für starr, hart, fest und „typos“ für feste Norm, charakteristisches Gepräge. Stereotype sind also Überzeugungen über Eigenschaften und Verhaltensweisen bestimmter sozialer Gruppen. Damit findet eine Verallgemeinerung einer Gruppe von Menschen statt und individuelle Unterschiede zwischen den Gruppenmitgliedern werden nicht berücksichtigt (Quelle bpb). Personen werden also in Schubladen gesteckt – und das oft basierend auf falschen oder unvollständigen Informationen. Aber warum tun wir Menschen das? Jeden Tag verarbeitet unser Gehirn Millionen von Eindrücken. Damit die Komplexität dieser Eindrücke uns nicht überfordert und die Welt für uns überschaubar bleibt, kreiert unser Gehirn Schablonen, mit deren Hilfe wir Vorstellungen sortieren können. Aus neurowissenschaftlicher Perspektive sind Stereotype also semantische Strukturen oder in anderen Worten Wissensrepräsentationen über Menschen oder soziale Gruppen. Auch wenn genau festgelegt ist, welches Ziel der jeweilige Einsatz von Personas hat, ist es gleichzeitig wichtig, wirklich offen für die vielfältigen Biografien und Bedürfnisse der einzelnen Zielgruppen zu sein und diese nicht durch eine eindimensionale Auswahl von Merkmalen und Darstellungsformen zu sehr zu vereinfachen.
Vorurteile
Während Stereotype eher aus Kognitionen bestehen, sind Vorurteile eher mit Emotionen assoziiert – positive wie negative. Stereotype werden also zu Vorurteilen, wenn eine Person eine andere emotional bewertet, weil er oder sie einer bestimmten Gruppe angehört. Ähnlich wie bei den Stereotypen geschieht diese Bewertung häufig unbewusst. Oft wissen wir also gar nicht, dass wir Vorurteile gegenüber bestimmten Personen, Gruppen oder Situationen haben, und merken nicht, wie unser Denken und Handeln dadurch beeinflusst oder gar verzerrt werden.
Unbewusste Vorurteile im Denken oder Handeln nennt man auch „Unconscious Bias“. Sich dieses „Verzerrungseffekts“ bewusst zu sein, ist auch im Erstellungsprozess von Personas enorm wichtig, da dieses Format zu vereinfachenden Zuschreibungen oder Annahmen verleiten kann. Zum Gegenstand von Vorurteilen können insbesondere Merkmale wie Alter, Geschlecht, Herkunft oder kognitive und körperliche Fähigkeiten werden – Merkmale, die auch bei der Erstellung von Personas als Basis herangezogen und entsprechend kontextualisiert werden. Werden Personas entwickelt, ist es deshalb essenziell, sich bewusst zu machen, dass Vorurteile gegenüber Zielgruppen unbewusst bestehen können und die Auswahl und Interpretation von Merkmalen immer datengestützt abgesichert sein sollte.
Kulturelle Sensibilität
Neben dem Begriff „kulturelle Sensibilität“ werden auch „Kultursensitivität“, „interkulturelle Kompetenz“ oder „interkulturelle Sensibilität“ verwendet. Grundsätzlich meinen alle Begriffe die Fähigkeit, mit kulturellen Unterschieden zwischen Personen achtsam umzugehen. Dazu gehört auch, die eigenen Vorstellungen zu hinterfragen und eine offene Sicht auf diverse Perspektiven zu entwickeln. Kulturelle Unterschiede werden häufig allein an Nationalität oder Religion geknüpft. Allerdings geht „kulturelle Vielfalt“ weit darüber hinaus und kann sich in bestimmten Überzeugungen und Werten manifestieren. Diese Überzeugungen wirken sich auf das Denken, Fühlen oder Handeln von Menschen aus.
Bezogen auf den Erstellungsprozess von Personas bedeutet das, dass in der Zusammenstellung der Persona-Merkmale genau diese Aspekte, also Wahrnehmung, Denken, Fühlen und Handeln der generierten Personas, nicht nur berücksichtigt, sondern auch kultursensibel reflektiert werden müssen. Dabei ist es wichtig zu beachten, dass Personas Personengruppen mit spezifischen Merkmalen darstellen sollen und nicht Vertreter*innen einer bestimmten Kultur.
Diskriminierung
Wenn sich Stereotype und Vorurteile kognitiv verfestigt haben, führen sie häufig auch zu diskriminierendem Verhalten. Unter „Diskriminierung“ wird die nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Menschen aufgrund von Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, körperlicher Fähigkeiten, Alter oder sexueller Orientierung verstanden. Häufig werden Menschen nicht nur aufgrund eines Faktors, sondern aufgrund mehrerer Faktoren diskriminiert (Mehrfachdiskriminierung). Diese können sich wechselseitig verstärken. Beim Erstellen von Personas kann sich Diskriminierung z. B. darin äußern, dass Personen innerhalb einer Zielgruppe aufgrund eines oder mehrerer der genannten Merkmale gar nicht oder nur marginal mit ihren Bedürfnissen und Interessen berücksichtigt oder in Text und Bild diskriminierend dargestellt werden. Um Diskriminierung zu vermeiden, sollte bei der Erstellung von Personas deshalb auf möglichst diverse und inklusive Nutzer*innenprofile geachtet werden. Hierzu zählt vor allem auch das Commitment, die Vielfalt der Zielgruppe möglichst adäquat abbilden zu wollen und dementsprechend die Personas in ihrer Ausdifferenzierung und mithilfe datengestützter Fundierung gleichberechtigt zu gestalten.
Aktualität
Sobald die entwickelten Personas in der Praxis verwendet werden, sollten sie in regelmäßigen Abständen evaluiert und validiert werden. Dies betrifft vor allem die datenbasierte Weiterentwicklung und Anpassung der Persona-Profile unter Berücksichtigung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse. Ein fortwährendes Hinterfragen und Anpassen der Personas trägt zudem dazu bei, dass diese als glaubhafter empfunden und dementsprechend besser für den Einsatz angenommen werden. Auch wenn sich die Bedarfe der Zielgruppe, äußere Rahmenbedingungen oder die Zielsetzung des Angebots ändern, bietet es sich an, die Personas entsprechend weiterzuentwickeln und zu aktualisieren.
Zitation
Cousseran, L., Tausche, S., Jennewein, N., Hadergjonaj-Strodthoff, V., Schober, M. 2024: Begriffe2go. Im Rahmen des Projektes Digitales Deutschland. Online verfügbar: https://digid.jff.de/magazin/transfer/begriffe2go-transfer/