Digitale Mündigkeit – Eine Analyse der Fähigkeiten der Bürger in Deutschland zum konstruktiven und souveränen Umgang mit digitalen Räumen

Kurzbeschreibung

Der Forschungsbericht entwirft ein Modell digitaler Mündigkeit verstanden als "Fähigkeiten der Bürger zum konstruktiven und souveränen Umgang mit digitalen Räumen" (S. 65). Mit dem Ziel, diese quantitativ messbar zu machen, definieren die Autor*innen digitale Mündigkeit als einen mehrstufigen und mehrdimensionalen Katalog von Fähigkeiten und Kompetenzen, welche Nutzer*innen digitaler Systeme besitzen sollten. Digitale Mündigkeit hat damit einen normativen Anspruch. Im Bericht wird zunächst auf die theoretischen Grundlagen des Begriffs digitaler Mündigkeit eingegangen - darunter die Begiffe literacy, competencies, skills sowie digital citizenship. Anschließend wird ein Modell digitaler Mündigkeit entworfen, welches aus einer Literaturübersicht sowie Expert*innenbefragungen entwickelt wurde. Zum Abschluss werden Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von Onliner*innen in Deutschland zu digitaler Mündigkeit vorgestellt sowie Handlungsempfehlungen daraus abgeleitet.

Annahmen über die Folgen der Digitalisierung

Mit dem Aufkommen und den Möglichkeiten digitaler Medien, durch die Kompetenzträger*innen nicht nur Rezipient*innen von Medieninhalten sein, sondern selbst auch Medieninhalte erstellen und selbstständig verbreiten konnten, wurden zunächst zahlreiche Hoffnungen auf eine demokratischere Gesellschaft verbunden. Im Zuge der Digitalisierung hat sich die Diskussion um den digitalen Graben im Sinne einer Unterscheidung zwischen Off- und Onliner*innen ausdifferenziert in eine Diskussion um mehrere digitale Gräben, zum Beispiel mit Blick auf Unterschiede in der Medienkompetenz oder der Nutzungsvielfalt. Eine weiteres Phänomen, das mit einer zunehmenden Digitalisierung einhergeht, scheint zu sein, dass die Kompetenzträger*innen verstärkt an ihrer eigenen Mündigkeit zweifeln.

Kompetenzanforderungen

keine Angabe

Kompetenzdimensionen

Instrumentell-qualifikatorische Dimension: Hard- und Software benutzen können; grundlegende IT-Kenntnisse; einen Browser bedienen können; Dateien auf einem Endgerät abspeichern; Videos im Netz anschauen; Programme auf ein Endgerät herunterladen; Dateien auf eine Online-Plattform hochladen; die eigene Privatsphäre im Internet schützen; Virenprogramme, aktualisieren; die Browser-Chronik löschen; Cookies löschen; den Zugriff auf die Standortdaten mobiler Endgeräte beschränken; Privatsphäre-Einstellungen von Online-Profilen anpassen.

Kognitive Dimension: Informationen im Internet finden können; die Informationen im Netz finden, nach denen gesucht wurde; mehr als einen Suchbegriff bei einer Suche eingeben; mehr als die erste Seite der Suchergebnisse betrachten; das Netz zur Sammlung relevanter Informationen im Zuge der Meinungsbildung nutzen.

Soziale Dimension: Interaktionsnormen achten, zum Beispiel zuhören und andere ausreden lassen; Bewusstsein für das eigene Handeln und das anderer Personen; nicht zu Streitereien im Netz beitragen; von beleidigenden Äußerungen absehen; bei Mitteilungen im Netz darauf achten, andere Menschen nicht in Verlegenheit zu bringen; auf die eigene Ausdrucksweise im Netz achten; kontrollieren, dass man keine Inhalte veröffentlicht, die später unangenehm erscheinen könnten; sich um vorsichtige und unmissverständliche Formulierungen bei Äußerungen im Netz bemühen; digitale Medien für kollektive Zwecke einsetzen können, das heißt, sich als Bürger*in der eigenen Rechte und Pflichten bewusst sein und eigene Interessen in kollektiven Entscheidungsprozessen auch mit Hilfe von Online-Medien wahrnehmen können; eigene politische Vorstellungen mit anderen Nutzer*innen teilen; das Netz verwenden, um den eigenen politischen Ansichten Ausdruck zu verleihen.

Kritisch-reflexive Dimension: Informationen im Internet kritisch beurteilen können; die zuerst gefundenen Ergebnisse durch das Besuchen weiterer Seiten überprüfen.

Zentrale theoretische Annahmen über Kompetenz

Medienkompetenz wird in der vorliegenden Studie in Anlehnung an Boberach und Kolleg*innen (2013) als das "Erlernen, Verstehen und Erkennen der Vielfältigkeit der Nutzung (sic!) des Einsatzes und der Weiterentwicklung digitaler Medien" (S. 5) definiert. Sie ist nicht vorrangig auf den Erwerb technischer Programmierkenntnisse ausgerichtet. Die Autor*innen verstehen Medienkompetenz als digitaler Souveränität vorgelagert. Zugleich wird darauf verwiesen, dass Medienkompetenz häufig synonym zu den Begriffen Web Literacy, Digital Literacy und Web Literacy gebraucht wird.

Perspektive der Kompetenzträger*innen auf Kompetenz einbezogen?

keine Angabe

Lebenskontexte der Kompetenzträger*innen einbezogen?

In der Erhebung wurden verschiedene Faktoren, die für digitale Mündigkeit Voraussetzung oder Konsequenz sein könnten, berücksichtigt. Zum einen waren dies neben soziodemografischen Angaben, wie etwa dem Alter oder dem Geschlecht, Einstellungen der Befragten, beispielsweise ihr Vertrauen in die Regierung oder Einstellungen zum Internet, Zufriedenheit mit E-Government, Fragen der Privatsphäre oder ihr Vertrauen allgemein. Zum anderen wurden Verhaltensweisen der Befragten erhoben, so etwa die Nutzungshäufigkeit von digitalen Geräten, dem Internet, politischer Beteiligung in online-basierten Umgebungen sowie Erfahrungen in der Nutzung von E-Government-Angeboten. Zudem wird betont, dass das soziale Umfeld für die Entwicklung digitaler Mündigkeitsdimensionen eine zentrale Rolle spielt. Daneben findet auch die materielle Ausstattung als Rahmenbedingung für die Entwicklung Digitaler Mündigkeitsdimensionen Erwähnung.

Herausforderungen der Erfassung von Kompetenz

Die Autor*innen weisen darauf hin, dass zur Operationalisierung auf Selbsteinschätzungen zurückgegriffen wurde. Da sich diese jedoch auf konkrete Tätigkeiten (im Vergleich zu einer abstrakten Formulierung) beziehen, sind sie vergleichsweise als zuverlässiger anzusehen. Eine Herausforderung besteht darin, diese konkreten Tätigkeiten zu finden, um die relevante Fähigkeit darüber abzufragen. Die konkreten Tätigkeiten müssen zudem mit anderen Tätigkeiten zusammenhängen und gegenwärtig übliche Tätigkeiten darstellen. Gerade der letzte Aspekt führt dazu, dass solche Messinstrumente regelmäßig angepasst werden müssen.

Zentrale empirische Befunde über Kompetenz

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Sozialkompetenzen unter den Onliner*innen stark ausgeprägt sind. Vor allem Frauen, Menschen mit höherer Bildung sowie mittlere Einkommensgruppen stechen in ihrem konstruktiven Umgang mit anderen positiv heraus. Im Umgang mit Inhalten im Sinne dessen, dass diese hinterfragt und bewertet werden, schneiden vor allem junge und höher gebildete Befragte gut ab. Im mittleren Alter ist - im Vergleich zu anderen Kompetenzen - vor allem der Schutz der Privatsphäre stärker ausgeprägt. Jedoch sprechen die Ergebnisse dafür, dass in der Bevölkerung ein sogenanntes Privacy Paradox besteht, das bedeutet, dass trotz Sorgen zum Thema Datenschutz Schutzmaßnahmen verhältnismäßig selten vorgenommen werden. Technische Fähigkeiten, wie beispielsweise IT-Kenntnisse oder Fähigkeiten im Umgang mit dem World Wide Web, nehmen mit zunehmendem Alter und sinkendem Einkommen ab. Insgesamt zeigt sich, dass rezeptive Tätigkeiten in diesem Bereich gegenüber produktiven überwiegen. Im Bereich der Civic Literacy ergeben sich vor allem für ältere Frauen Herausforderungen. Allerdings üben Tätigkeiten der Civic Literacy insgesamt nur eine Minderheit der Befragten aus. Es zeigt sich, dass eine hohe digitale Mündigkeit vor allem Männer mit höherem Bildungsniveau aufweisen, in der Gruppe mittlerer digitaler Mündigkeit eher Frauen und Menschen mit niedrigerer Bildung sind. Schließlich setzt sich die Gruppe mit einer eher niedrigen digitalen Mündigkeit vor allem aus Menschen im höheren Lebensalter mit höherem Bildungsniveau zusammen. Außerdem wurde in der Studie betrachtet, dass sich digitale Mündigkeit auf die Nutzung von E-Government-Angeboten sowie politische Beteiligung signifikant auswirkt.

Quellenangabe

Beck, R., Greger, V., Hoffmann, C., König, W., Krcmar, H., Weber, J., Wunderlich, N, & Zepic, R. (2018). Digitale Mündigkeit. Eine Analyse der Fähigkeiten der Bürger in Deutschland zum konstruktiven und souveränen Umgang mit digitalen Räumen. https://www.researchgate.net/publication/325756267_Digitale_Mundigkeit_Eine_Analyse_der_Fahigkeiten_der_Burger_in_Deutschland_zum_konstruktiven_und_souveranen_Umgang_mit_digitalen_Raumen

Zuletzt geändert am 21. Dezember 2022.