Förderung von Medienkritikfähigkeit unter besonderer Berücksichtigung zeitgenössischer Propaganda

Kurzbeschreibung

Der Autor befasst sich intensiv mit einer Dimension von Medienkompetenz, nämlich der Medienkritik. Wie auch andere Autor*innen sieht er die Medienkritik als Kernbereich von Medienkompetenz an. Er reflektiert auch die enge Verbindung zu anderen (Teil)dimensionen wie dem medienspezifischen (Struktur-)Wissen und der Mediengestaltung. Die Dissertationsschrift beschreibt die praxis- und theorieorientierte Entwicklung und Evaluation eines medienpädagogischen Unterrichtskonzepts für die Sekundarstufe I zur Förderung der Medienkritikfähigkeit im Kontext zeitgenössischer Propaganda. Auf der Basis einer Analyse theoretischer und empirischer Grundlagen zum Propagandabegriff und zur Medienkritikfähigkeit und unter besonderer Berücksichtigung des Ansatzes einer handlungs- und entwicklungsorientierten Didaktik wird ein medienpädagogisches Unterrichtskonzept entwickelt. Ausgehend von einem weitgefassten Propagandabegriff sind im Rahmen des Unterrichtskonzepts der Vergleich und die kritische Beurteilung unterschiedlicher Formen aktueller und historischer Propaganda sowie die Gestaltung eigener Medienbeiträge in Form von Counter Narratives bedeutsame Vorgehensweisen. Die quasi-experimentelle Evaluation des Unterrichtskonzepts in der Sekundarstufe I eines Gymnasiums ist als mixed-methods-design konzipiert und bestätigt die Wirksamkeit der Intervention in Bezug auf die Förderung der Medienkritikfähigkeit.

Annahmen über die Folgen der Digitalisierung

Der Autor sieht in der ubiquitären Verfügbarkeit des Internets Chancen und Risiken für Heranwachsende. Insbesondere Soziale Medien bieten Möglichkeiten zur Partizipation, Kommunikation und Information. Der Verfasser problematisiert die Risiken, mit Fehlinformationen in sozialen Medien konfrontiert zu werden. Die gezielte Desinformation wird durch diese digitalen Angebote vervielfacht und die Wahrscheinlichkeit, in Kontakt mit extremistischer Propaganda zu kommen, steigt an. Medienkritikfähigkeit ist daher eine Grundvoraussetzung zur kompetenten Teilhabe in einer digitalisierten Welt.

Kompetenzanforderungen

Jugendliche sollen insbesondere durch die Förderung von Medienkritikfähigkeit dazu befähigt werden, Desinformation und Propaganda zu erkennen und mittels Counter Speech gegen Desinformation und Propaganda zu argumentieren. Der Autor bearbeitet empirisch die Medienkritikfähigkeit. Er rahmt diese durch allgemeine Medienkompetenzanforderungen, die mit den fünf kommunikativen Kompetenzen nach Hobbs differenziert werden und im Unterricht zu fördern sind. Zugang, Analysieren, Gestalten, Reflektieren, Handeln. 1. Zugang finden: Finden und Austauschen von geeigneten und relevanten Informationen. Medientexten und technologischen Werkzeugen. 2. Analysieren: Die Nutzung des kritischen Denkens , um Botschaften und empfangendes Publikum in die Analyse einzubeziehen. 3. Gestalten: Inhalte entwickeln und gestalten, um Kreativität und Vertrauen im Selbstausdruck zu finden. 4. Reflektieren: Die Auswirkungen der medialen Botschaften und der technischen Werkzeuge auf unser Denken und Handeln im Alltag beziehen. 5. Handeln: Individuell und gemeinsam arbeiten, um Wissen auszutauschen und Probleme in der Familie, am Arbeitsplatz und in der Community zu lösen.

Kompetenzdimensionen

Kognitive Dimension: Die Relevanz von Informationen beurteilen; Quellentransparenz von Informationen beurteilen; die Ausgewogenheit von Informationen beurteilen; die Recherchequalität des Informationsangebots beurteilen; die Meinungsvielfalt innerhalb eines Informationsangebotes beurteilen; Inszenierung erkennen; Intentionalität erkennen; journalistische Qualität beurteilen; Inhaltsarten wie Werbung, Unterhaltung, Information erkennen; Glaubwürdigkeit beurteilen; Wissen über den korrekten Umgang mit Informationen; Wissen über informationelle Selbstbestimmung; Wissen über journalistische Darstellungsformen; Wissen über Datenschutz; Wissen über den Umgang mit Daten.

Kreative Dimension: Counter-Narrative erstellen und gestalten; Kurzvideos mit AdobeSpark erstellen.

Soziale Dimension: Kommunikation; Zusammenarbeit; Kollaboration; Präsentieren.

Kritisch-reflexive Dimension: Relevanz von Informationen beurteilen; Quellentransparenz von Informationen beurteilen; die Ausgewogenheit von Informationen beurteilen; die Recherchequalität des Informationsangebots beurteilen; die Meinungsvielfalt innerhalb eines Informationsangebotes beurteilen; die Beachtung von Menschenwürde beurteilen; Inszenierung erkennen; Intentionalität erkennen; journalistische Qualität beurteilen; Inhaltsarten wie Werbung, Unterhaltung, Information erkennen; Glaubwürdigkeit beurteilen.

Zentrale theoretische Annahmen über Kompetenz

Der Autor sieht Medienkritikfähigkeit als zentrale Medienkompetenzdimension an. Er hat ein handlungs- und kompetenzorietiertes Verständnis von Medienkritikfähigkeit. Denn Kompetenzen sind Fähigkeiten im Denken und Handeln. Sie werden handelnd erworben und durch Handeln und im Handeln sichtbar gemacht. Die handlungsorientierte (Teil-)Kompetenz Medienkritikfähigkeit wird benötigt, um gezielte Desinformation erkennen und einschätzen, sich durch Counter-Narrative artikulieren und so am gesellschaftlichen Diskurs partizipieren zu können. Bei der Förderung von Medienkritikfähigkeit werden gleichzeitig übergeordnete Kompetenzen bezogen auf Zugang, Analyse, Gestaltung, Reflektion und Handeln vermittelt.

Perspektive der Kompetenzträger*innen auf Kompetenz einbezogen?

Motivation zur Auseinandersetzung mit Propaganda und extremistischen Inhalten wird erfasst und ausgewertet. Durch Gestaltung von Counter-Narratives arbeiten die Schüler*innen handlungsorientiert und erhalten Feedback nach der Evaluation ihrer Medienprodukte durch die Lehrkraft.

Lebenskontexte der Kompetenzträger*innen einbezogen?

keine Angabe

Herausforderungen der Erfassung von Kompetenz

keine Angabe

Zentrale empirische Befunde über Kompetenz

Die Ergebnisse der drei Studien zeigen deutlich, dass die entwickelten Unterrichtskonzepte inhaltlich und didaktisch sowohl hinsichtlich der Förderung allgemeiner Medienkritikfähigkeit als auch in Bezug auf die propagandaspezifische Analysefähigkeit hoch wirksam waren. Es konnte gezeigt werden, dass sich mithilfe des Unterrichtsgegenstands Propaganda vielfältige Inhaltsbereiche erschließen lassen, die zur Förderung der Medienkritikfähigkeit bei den Jugendlichen führten. Die Teilfähigkeiten der Beurteilung der Meinungsvielfalt, der Ausgewogenheit, der Quellentransparenz, der Glaubwürdigkeit, der Unabhängigkeit sowie das Erkennen der Intentionalität und die informationelle Selbstbestimmung waren von besonderer Bedeutung für eine allgemeine Kompetenzsteigerung im Bereich Medienkritik. Im Vorher-Nacher-Vergleich zeigten sich in drei von vier inhaltsbezogenen Bereichen (Information, Werbung, Nutzerkommunikation) hochsignifikante Unterschiede zwischen Interventions- und Kontrollgruppe. Lediglich in der Inhaltskategorie Unterhaltung ließen sich keine Unterschiede beim Kompetenzzuwachs zwischen Interventions- und Kontrollgruppe statistisch nachweisen.

Quellenangabe

Seyferth-Zapf, C. (2021). Förderung von Kritikfähigkeit unter besonderer Berücksichtigung zeitgenössischer Propaganda. Praxis- und theorieorientierte Entwicklung und Evaluation eines fächerübergreifenden und fachspezifischen Unterrichtskonzepts für die Sekundarstufe I. [Dissertation, Julius-Maximilans-Universität Würzburg]. OPUS Würzburg. https://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/frontdoor/index/index/docId/24578

Sonstige Anmerkungen

Der Autor arbeitet mit Mixed-Methods. Das quasi-experiementelle Design zur Überprüfung des Kompetenzzuwachses zwischen Interventions- und Kontrollgruppe ist hervorzuheben. Die Trias aus Erfassung der Medienkritifähigkeit, Intervention durch Unterrichtsschwerpunkte und die Weiterführung in gestalterische Prozesse der Schüler*innen (Erstellung von Counter-Narratives in Form von Videoclips) bietet ein umfassendes Bild einer konkreten Fördermaßnahme.

Zuletzt geändert am 18. Dezember 2023.