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Was bedeutet „Intersektionalität“ im Kontext von Diversität? Was ist die „Gender Dat Gap“? In dieser Begriffssammlung liefert unser Team kompakte Erklärungen zu ausgewählten Begriffen rund um das Thema Diversität.

Diversität

Diversität ist ein sozialwissenschaftliches Konzept, das die Anerkennung individueller, sozialer und struktureller Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Menschen und Gruppen fokussiert. Die Kerndimensionen von Diversität betreffen die Merkmale Geschlecht/Gender, Alter/Generationen, Race/Hautfarbe, Ethnizität/Nationalität, Behinderungen/Beeinträchtigungen, sexuelle Orientierung, und Religion/Weltanschauung. Die Merkmale basieren teilweise auf Selbst-, überwiegend aber auf Fremdzuschreibungen, d. h. gesellschaftlich konstruierten Unterschieden. Sie zeigen die Vielfalt unserer Gesellschaft, führen mitunter aber zu struktureller Benachteiligung. Daher stehen die genannten Kerndimensionen in der EU unter gesetzlichem Diskriminierungsschutz.
Diversität als Anerkennung gesellschaftlicher Realität zielt insofern auf den Abbau von Diskriminierung und die Förderung von Chancengleichheit. Gerade in Bildungskontexten ist es daher unerlässlich, sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten von Menschen und Gruppen in den Blick zu nehmen. Während der ausschließliche Fokus auf Unterschiede Vorurteile manifestieren und Stereotype fortschreiben kann, fördert die Auseinandersetzung mit Gemeinsamkeiten konstruktive Beziehungen und Vertrauen. Dies ist v. a. deshalb relevant, weil der digitale Wandel und die Globalisierung dazu beitragen, dass Gesellschaften diverser und damit komplexer werden.

Diversity-Kompetenz

Diversity-Kompetenz ist eine wichtige Schlüsselqualifikation, die im Alltag und im Berufsleben hilft, mit Unterschieden zwischen Menschen kompetent umzugehen. Diversity-Kompetenz ist also die Fähigkeit, gesellschaftlicher Vielfalt anerkennend, wertschätzend und vorurteilsfrei zu begegnen und diese zu gestalten. Darüber hinaus beinhaltet sie einen Perspektivenwechsel, d. h. sich in die Perspektiven und Lebenslagen anderer hineinzuversetzen, auch wenn diese stark von der eigenen abweichen. Mit Diversity-Kompetenz wird auch der Begriff „Ambiguitätstoleranz“ in Verbindung gebracht. Der Begriff meint das Aushalten-Können von unterschiedlichen Sichtweisen, Mehrdeutigkeiten und Ambivalenzen, die in zwischenmenschlichen Interaktionen entstehen können.

Intersektionalität

Der Begriff „Intersektionalität“ geht auf das englische „intersection“ (dt.: Kreuzung, Schnittpunkt) zurück und meint die „Analyse der Überschneidungen und des Zusammenwirkens von verschiedenen Diskriminierungsformen“. Das Konzept hat seinen Ursprung in den feministischen Bewegungen Schwarzer Frauen, die ihre Anliegen weder in der Bürgerrechtsbewegung noch in der Feminismusbewegung angemessen repräsentiert sahen. Erstmals prägte die US-amerikanische Juristin Kimberlé Crenshaw den Begriff Ende der 1980er-Jahre, indem sie darauf hinwies, dass die Kombination unterschiedlicher individueller Merkmale und Unterdrückungsformen (class, race, gender [1] ) zu neuer, mehrdimensionaler Diskriminierung führen kann. Dies schlussfolgerte sie aus der Analyse unterschiedlicher Gerichtsverfahren, in denen die Erfahrungen Schwarzer Frauen nicht als Diskriminierung anerkannt wurden, weil sie nicht den Erfahrungen von Weißen Frauen oder Schwarzen Männern entsprachen. Daraus resultiere, dass sich unterschiedliche Diskriminierungserfahrungen nicht einfach nur addieren lassen, sondern spezifische Formen der Unterdrückung entstehen können. Diese spezifischen Formen der Unterdrückung zu analysieren, ist Gegenstand der Intersektionalität.
Seit den 1990er-Jahren ist Intersektionalität Bestandteil unterschiedlicher Debatten in den Gender Studies.

Colorwashing

Colorwashing“ ist ein Sammelbegriff für die gewinnorientierte Praxis von Unternehmen und Marken, Werte im Zusammenhang mit Produkten und Dienstleistungen vorzutäuschen und zu kommunizieren, um damit sozial- und umweltbewusste Verbraucher*innen anzusprechen. In diesem Sinne ist Colorwashing ein Marketinginstrument zur Umsatzsteigerung, mit dem sich Unternehmen Diversität als Wert zuschreiben.

Bekannte Beispiele sind Brownwashing, Greenwashing, Pinkwashing und Rainbow Washing. Greenwashing zielt etwa darauf ab, Produkte und Aktivitäten eines Unternehmens umweltfreundlicher darzustellen, als sie eigentlich sind. Von „Brownwashing“ wird häufig gesprochen, wenn ein Unternehmen den Eindruck erwecken will, die Rechte von BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) zu unterstützen. „Pinkwashing“ bezeichnet die scheinbar wohlwollende Haltung gegenüber Frauen und Themen, für die sie sich einsetzen. Schließlich meint der Begriff „Rainbow Washing“ die scheinbare Solidarisierung mit der LGBTQIA+-Community.

Problematisch an dieser Form der „Reinwaschung“ ist ihre rein strategische Zielorientierung, ohne die zugrunde liegenden Ursachen im Zusammenhang mit struktureller Diskriminierung und Ungleichheit tatsächlich anzugehen. Es handelt sich lediglich um symbolische Darstellungen oder öffentlichkeitswirksame Solidaritätsversprechen von, die jedoch nicht zu sinnvollen Veränderungen oder Maßnahmen zur Förderung von Vielfalt und Inklusion führen.

Gender Data Gap

Wissenschaftliche Daten werden seit Jahrhunderten überwiegend von Männern für Männer erhoben. Frauen werden in der Datenerhebung häufiger außen vor gelassen, woraus eine geschlechterbezogene Informationslücke entsteht, die zahlreiche unangenehme, teilweise fatale Konsequenzen haben kann: So führt die männlich dominierte Raumplanung bspw. dazu, dass die Standardtemperatur in Büros meist etwas zu kühl für eine durchschnittliche Frau eingestellt ist oder Frauen beim Toilettengang häufiger Schlange stehen müssen als Männer. Spracherkennungssoftware bevorzugt in der Regel Männerstimmen, weil sie überwiegend mit männlichen Stimmen trainiert wird, und vermeintlich geschlechtsneutrale Produkte orientieren sich am Prototyp Mann, was dazu führt, dass beispielsweise Standardklaviaturen und Smartphones für Menschen mit größeren Händen – zumeist Männer – leichter bedienbar sind. In der Medizin führt die Medikation von Frauen anhand von „männlichen Daten“ dazu, dass sie häufiger von stärkeren Nebenwirkungen und Komplikationen betroffen sind und im Straßenverkehr werden Frauen im Vergleich zu Männern mit 48 % höherer Wahrscheinlichkeit schwer und mit 71 % höherer Wahrscheinlichkeit mittelschwer verletzt. Der Grund: die Planung von Sicherheitsvorrichtungen in Autos anhand von Crashtest-Dummys mit männlichen Durchschnittswerten.
Der Gender Data Gap ist eine weitere Form mittlerweile bekannter Gender Gaps, die zur strukturellen Diskriminierung von Frauen beitragen.

Literatur

  1. Anja Meulenbelt: Scheidelinien. Über Sexismus, Rassismus und Klassismus. Rowohlt Verlag, Reinbek 1988

Zitation

Berg, K.; Solaja, S. 2023: Begriffe2go. Im Rahmen des Projektes Digitales Deutschland. Online verfügbar: https://digid.jff.de/magazin/diversitaet/begriffe2go-diversitaet/

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