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Fünf Fragen aus dem Netz

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Fünf Fragen aus dem Netz

Geht es um das Thema Diversität, kommen im Internet regelmäßig Fragen auf, die auf das Interesse der Nutzer*innen stoßen. Unser Team hat sich einer Auswahl häufig gestellter Fragen angenommen und sie kurz und knapp beantwortet.

Digitalisierung und Diversität – wie passt das zusammen?

Der digitale Wandel hat das soziale Miteinander grundlegend verändert. Kommunikationsprozesse wurden beschleunigt und räumlich entgrenzt, KI-basierte Medien und Systeme erleichtern vielerorts den Alltag, beispielsweise den Zugang zum Arbeitsmarkt für Menschen mit Beeinträchtigungen.
Gleichzeitig bergen die neuen digitalen Möglichkeiten einige Herausforderungen: KI kann zum Ausschluss und damit zur Diskriminierung von Minderheiten beitragen. Fehlende Ressourcen und Unterstützungsangebote können zudem bestehende Ungleichheiten verfestigen. Es wird deutlich:
Die Befähigung des Menschen zur Bewältigung digitaler – und damit mittlerweile alltäglicher – Aufgaben ist eine maßgebliche Herausforderung der digitalisierten Gesellschaft. Sie muss die individuell sehr unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedürfnisse berücksichtigen, um möglichst allen Menschen die Teilhabe am sozialen Leben zu ermöglichen. Hierzu braucht es eine diversitätssensible und diskriminierungskritische Medienkompetenzförderung.

Wie kann man Diversität messen?

In der Wissenschaft werden mehrere Ansätze zur Messung von Diversität diskutiert. Nach dem Sozialwissenschaftler Merlin Schaeffer gilt es drei Messwerte zu berücksichtigen, um zu bestimmen, wie divers eine Gruppe von Menschen ist: Variabilität, Balance und Disparität.
Am einfachsten lassen sich diese drei Begriffe anhand eines Beispiels erklären. Nehmen wir an, wir wollen herausfinden, wie divers eine Menschengruppe hinsichtlich des Merkmals „Nationalität“ ist. Die Variabilität gibt dabei Auskunft, wie viele unterschiedliche Nationalitäten in der Menschengruppe vorhanden sind. Gibt es viele unterschiedliche Nationalitäten, so ist die Variabilität groß. Bei der Balance kommt es darauf an, wie groß die Gruppen sind, die sich jeweils einer Nationalität zuordnen. Gehören jeweils annähernd gleich viele Personen einer Nationalität an, so ist die Balance groß. Sind Variabilität und Balance hoch ausgeprägt – gibt es also viele unterschiedliche Nationalitäten, denen jeweils annähernd gleich viele Menschen angehören –, so ist die Gruppe hochdivers. Als dritte Kennzahl kann noch die Disparität herangezogen werden. Hierbei würde es in unserem Beispiel darum gehen, wie stark sich die einzelnen Nationalitäten voneinander unterscheiden. Beispielsweise könnte man die These aufstellen, dass in einer Menschengruppe, in denen ausschließlich Personen aus europäischen Herkunftsländern vertreten sind, eine vergleichsweise geringe Disparität vorliegt.

Wann ist eine Website barrierefrei?

Eine Website ist barrierefrei, wenn sie „ohne zusätzliche Installationen oder (technische) Einschränkungen“ nutzbar ist. Möglichst allen Menschen und besonders Menschen mit physischen und/oder psychischen Beeinträchtigungen sollten die Inhalte einer Website also grundsätzlich zugänglich sein. In den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) sind die weltweit geltenden Standards zur Zugänglichkeit von Webseiten zusammengefasst. Sie werden von der Web Accessibility Initiative (WAI) erstellt, einer Arbeitsgruppe des World Wide Web Consortium (W3C).
Als Kriterien können u. a. folgende Fragen berücksichtigt werden:

  • Sind die Inhalte zur Ausgabe durch assistive (unterstützende) Hilfsmittel geeignet (bspw. durch Untertitel, Alternativtexte, Screenreader)?
  • Ist die Erkennbarkeit durch starke Kontraste und konturierte Formen erleichtert?
  • Sind Sätze in einfacher, verständlicher Sprache formuliert? Sind Bedienflächen für die mobile Nutzung optimiert?
  • Gibt es semantische Auszeichnungen für die Website-Struktur (Navigation)?

Selbstkritisch müssen wir anmerken, dass unsere Website zwar sehr schön ist, hinsichtlich Barrierefreiheit aber noch optimiert werden kann. Daran arbeiten wir.

Wie entsteht Exklusion im digitalen Raum?

Exklusion kann im digitalen Raum zum einen dadurch entstehen, dass die Nutzung digitaler Medien und Dienste für Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen erschwert ist, bspw. weil Webseiten und Anwendungen nicht ausreichend barrierearm gestaltet werden.
Zum anderen meint Exklusion aber immer häufiger auch den Ausschluss aus der digitalisierten Gesellschaft. Bekannte Ursachen dafür sind der first level digital divide (fehlender Internetzugang und Möglichkeit der Internetnutzung) sowie der second level digital divide (Intensität der Mediennutzung). Während die Relevanz einiger Faktoren für diese Formen digitaler Spaltung in der Tendenz rückläufig ist – etwa die Bedeutung von Geschlecht oder die digitale Infrastruktur in ländlichen Räumen –, bleiben bspw. Bildung und Berufstätigkeit als Faktoren stagnierend relevant. Daraus resultieren zunehmend negative Auswirkungen (third level digital divide): So sind günstigere Kredite häufig nur online verfügbar, Bewerbungsverfahren erfolgen via Online-Assessment-Center und auch kulturelle Bildung verlagert sich vielerorts in den digitalen Raum. Gesellschaftliche Benachteiligung und strukturelle Diskriminierung werden durch den Ausschluss aus digitalen Räumen also manifestiert. Hier ist es elementar, mit (Medien-)Bildungsangeboten die Hilfe zur Selbsthilfe zu unterstützen, um Teilhabegerechtigkeit und Chancengleichheit für alle zu gewährleisten.

Predictive Analytics: mit algorithmischen Analysen zu objektiveren und diskriminierungssensiblen Entscheidungen?

Potenziell ja! Es gibt jedoch einige Bedenken. Predictive Analytics (dt.: vorausschauende Analyse) ist ein Verfahren, bei dem algorithmische Modelle auf große Datenmengen (Big Data) angewendet werden, um Muster zu identifizieren und zukünftige Ereignisse vorherzusagen. Dabei kommt meist auch maschinelles Lernen zum Einsatz. Insbesondere in der Wirtschaft gibt es ein breites Spektrum von Anwendungsmöglichkeiten, bspw. zur Risikoberechnung bei Versicherungen. Auch bei Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben sowie im Bildungsbereich (Learning Analytics) wird es verstärkt genutzt. Predictive Policing kommt in mehreren Bundesländern zum Einsatz, um Straftaten vorherzusagen und somit angemessene Reaktionen zu ermöglichen. In den USA wie auch in Großbritannien und Neuseeland ist Predicitive Risk Modelling in der Kinder- und Jugendhilfe im Einsatz. Dabei wird die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Kindeswohlgefährdung berechnet und den Sozialarbeiter*innen als Entscheidungsgrundlage für ein Eingreifen zur Verfügung gestellt, um eine Gefährdung frühzeitig abwenden zu können.

Neben Fragen des Datenschutzes werden auch Diskriminierungspotenziale solcher Anwendungen kritisiert. Die vorgenommenen Differenzierungen von Personen können zu ungerechtfertigten Ungleichbehandlungen bzw. Diskriminierungen führen. Insbesondere mit Blick auf staatliches Handeln stellt sich die gesellschaftliche Aufgabe, ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen durch Predictive Analytics zu erkennen und zu regulieren.

Zitation

Solana, S.; Berg, K.; Herrmann, S.; Schober, M. 2023: Fünf Fragen aus dem Netz. Im Rahmen des Projektes Digitales Deutschland. Online verfügbar: https://digid.jff.de/magazin/diversitaet/fuenf-fragen-diversitaet/

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