„Civic media literacy“, „digital citizenship“ und Politische Kompetenz – Annäherungen an ein theoretisches Rahmenmodell für die digitale Politische Bildung

Kurzbeschreibung

In diesem Beitrag geht es um digitale politische Bildung, auch Digital Citizenship Education genannt. Der Begriff legt den Fokus auf die Verantwortung von Individuen für das Gemeinschaftliche, die Befähigung zur Partizipation sowie politisches und zivilgesellschaftliches Engagement. Aber welche Kompetenzen braucht es genau für Digital Citizenship? Wie ist der Forschungsstand dazu? Und wie können Fachkräfte Lernende dabei unterstützen, solche Kompetenzen zu entwickeln? Diese Fragen erörtert Monika Waldis auf Basis von Ansätzen der digitalen, medienpädagogischen und politischen Bildung. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es viele konzeptionelle Überlegungen zum Thema Digital Citizenship gibt. Empirische Befunde dazu bei Kinder und Jugendlichen sind hingegen selten. Während Informationskompetenz und -routinen noch verhältnismäßig gut erforscht sind, stehen Partizipationserfahrungen online nur selten im Fokus.

Annahmen über die Folgen der Digitalisierung

Digitale Medien beeinflussen, wie wir an Kultur und Gesellschaft teilhaben, mit anderen kommunizieren und auf uns selbst schauen. Im öffentlichen Raum sind digitale Medien vor allem relevant, um Informationen zu erhalten, sich eine Meinung zu bilden und damit die Politik in demokratischen Gesellschaften Rechenschaft ablegen kann. Viele Menschen informieren sich immer mehr über das Internet (auch über Social Media). Das Netz bietet eine große Menge an Informationen. Durch Social Media haben die Nutzenden zudem mehr Eingriffs-, Kooperations- und Rückmeldemöglichkeiten. Das nährte die Hoffnung auf eine neuen Qualität der Teilhabe am öffentlichen Diskurs. Jedoch hat sich durch den digitalen Wandel einiges verändert. Das Internet hat sich zunehmend in kommerzielle Räume verschoben. Algorithmisierte Filterverfahren spielen heute eine wichtige Rolle. Sie helfen einerseits, den Alltag zu organisieren, schränken aber andererseits die Handlungsmacht von Kompetenzträger*innen in digitalen Räumen ein. Zudem haben Techintermediäre viel Kontrolle über soziale Interaktionen im Netz. Die Gatekeeperfunktion klassischer Medien verschwindet. Gleichzeitig können im Internet Filterblasen und Echokammern entstehen, durch die die Öffentlichkeit gegebenenfalls in kleinere Teile zerfällt. In der Summe machen diese Entwicklungen vor allem deutlich: Es ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft, die digitale Transformation zu verstehen und demokratisch zu gestalten. Für die politische Bildung ergibt sich die Frage, welche politischen Kompetenzen Bürger*innen brauchen, um gesellschaftlich-politisch teilhaben zu können.

Kompetenzanforderungen

Durch die Fülle von Informationen im Netz stehen Kompetenzträger*innen vor neuen Anforderungen, wenn es darum geht, Informationen auszuwählen, zu strukturieren und zu bewerten. Zudem entstehen neue Anforderungen in Bezug auf Orientierungs- und Urteilsfähigkeit, da das Internet viele Möglichkeiten zur Mobilisierung und politischen Aktivierung bietet.

Kompetenzbegriffe (nach dem Papier)

Civic Media Literacy | Digital Citizenship | Medienbildung | Politische Kompetenz

Unterdimensionen (nach dem Papier)

Digitale Ethik,
Medien- und Informationskompetenz,
Teilhabe/Partizipation,
Kritischer Widerstand (Digital Citizenship),
Partizipative Kompetenz,
kollaborative Kompetenz,
expressive Kompetenz,
kritische Kompetenz

Kompetenzdimensionen (nach dem Rahmenkonzept von Digitales Deutschland)

Instrumentell-qualifikatorische Dimension: Bedienfertigkeiten; Inhalte im Web 2.0 erstellen und verbreiten.

Kognitive Dimension: Wissen über Medien; digitale Technik verstehen; Medialität durchschauen; Funktionen digitaler Technik für den Zugang zu Wissen nutzen; auf Informationen zugreifen, sie kritisch auswählen und auswerten; Medieninhalte prüfen; Medienbotschaften auf einer täglichen Basis betrachten und analysieren.

Affektive Dimension: Eigene negative Gefühle kontrollieren; Gefühle anderer in Kommunikationskontexten verstehen.

Kreative Dimension: Medien gestalten können; Inhalte im Web 2.0 erstellen und verbreiten; das Netz mitgestalten.

Soziale Dimension: Fähigkeiten zur Kommunikation/Netzwerk mit anderen; Funktionen digitaler Technik für die Teilhabe an der Gesellschaft nutzen; digitale Zivilcourage; staatsbürgerliche Beteiligung und Engagement; online (und offline) argumentieren und debattieren können.

Kritisch-reflexive Dimension: Medienangebote und individuelle bzw. kollektive Medienhandlungen auf ihre soziale und gesellschaftliche Funktion hinterfragen und das eigene Handeln danach ausrichten können; Wechselwirkungen zwischen Technik, Individuen und Gesellschaft reflektieren; Medieninhalte prüfen und kritisch mit ihnen umgehen; das eigene Wirken reflektieren; Medienbotschaften auf einer täglichen Basis betrachten und analysieren; Medientexte, Bilder und Symbole dekonstruieren im Hinblick auf die darin vermittelten Narrative und deren Nutzung für die Herstellung und Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Ordnung; sichere, ethisch vertretbare und verantwortungsbewusste Teilnahme an Internetaktivitäten; Normen und Werten eines angemessenen und effektiven Technologie- und Internetgebrauchs kennen; aufmerksam sein für politische, soziale, kulturelle, ökonomische Fragen sowie Bildungsfragen, die sich durch die Nutzung neuer digitaler Technologien ergeben; digitale Rechte und Pflichten kennen; sich kritisch mit Fragen von Macht, Herrschaft, Ungleichheit und Ideologie auseinandersetzen; mit Des- und Falschinformation umgehen können.

Zentrale theoretische Annahmen über Kompetenz

In vorliegendem Beitrag werden mehrere Kompetenzbegriffe erörtert - unter anderem Digital Citizenship. Dieses Konzept lässt sich grob in digitale Ethik, Medien- und Informationskompetenz, Teilhabe und Partizipation sowie kritischen Widerstand gliedern. Wichtig ist, es nicht separiert von einer analogen Bürger*innenbildung zu denken. Notwendig sind aus Sicht der politischen Bildung allerdings angesichts des digitalen Wandels weitere Kompetenzen, zum Beispiel die Fähigkeit, on- und offline zu argumentieren. Daneben bezieht sich die Autorin auf die Dagstuhl-Erklärung, welche festlegt, dass das Verstehen des Funktionierens digitaler Technik immer in engem Zusammenhang mit einer anwendungsbezogenen Perspektive und einer gesellschaftlich-kulturellen Wirkung gesehen werden sollte.

Perspektive der Kompetenzträger*innen auf Kompetenz einbezogen?

keine Angabe

Lebenskontexte der Kompetenzträger*innen einbezogen?

keine Angabe

Herausforderungen der Erfassung von Kompetenz

keine Angabe

Quellenangabe

Waldis, M. (2020). „Civic media literacy“, „digital citizenship“ und Politische Kompetenz – Annäherungen an ein theoretisches Rahmenmodell für die digitale Politische Bildung. In U. Binder, & J. Drerup (Hrsg.), Demokratieerziehung und die Bildung digitaler Öffentlichkeit. Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-28169-4_4

Sonstige Anmerkungen

In den meisten Studien über Digital Citizenship von Jugendlichen geht es schwerpunktmäßig um Informationskompetenz oder Informationsroutinen. Die Ergebnisse verweisen darauf, dass Jugendliche vor allem darin unterstützt werden müssen, mit digitalen Informationen umzugehen, deren Absicht und Perspektive zu erkennen und sie hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit einzuschätzen.

Zuletzt geändert am 18. Dezember 2024.