Digitale Teilhabe von Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung – Entwicklung einer Definition, eines Modells und eines Erhebungsinstruments

Kurzbeschreibung

Im Zentrum des vorliegenden Buches steht die Frage: Wie kann digitale Teilhabe von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung gelingen? Dazu arbeiten die Autorinnen eine Definition digitaler Teilhabe und digitaler Kompetenz aus. Sie soll eine Hilfe sein, um diese Zielgruppe besser zu adressieren. Zentral ist dabei der Begriff Digital Disability Divide – also eine digitale Spaltung, die sowohl Unterschiede im Zugang zu als auch im kompetenten Umgang mit digitalen Medien umfasst. Dass Menschen mit einer Beeinträchtigung von solchen Ungleichheiten betroffen sind, lässt sich vor allem auf diese Gründe zurückführen: Unterschiede im technischen Zugang und in der selbstständigen Nutzung, in den Fähigkeiten im Umgang mit dem Internet, in den Zwecken, zu denen das Internet verwendet wird, sowie einer ungleichen Unterstützung aus dem Umfeld. Damit spielt auch eine Rolle, wie offen Bezugspersonen gegenüber digitalen Medien sind. Auch beeinflussen materielle, soziale und kulturelle Ressourcen stark, inwiefern sich Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung Kompetenzen aneignen. Die vorliegende Darstellung bezieht sich auf die Kapitel 4 bis 6 des Buches, da darin der Fokus auf theoretischen Ausführungen zu digitaler Kompetenz und Teilhabe liegt.

Annahmen über die Folgen der Digitalisierung

Im Zuge der Digitalisierung sind zahlreiche neue digitale Anwendungen entstanden. Zudem bringen Digitalisierung und Mediatisierung tiefgreifende Veränderungen in allen Lebensbereichen mit sich. Es entstehen etwa neue Teilhabemöglichkeiten. Zudem verändert die Digitalisierung Arbeitsabläufe in der Eingliederungshilfe. Folglich wandeln sich auch die Anforderungen an Fachkräfte. Sie benötigen nun unter anderem Medienkompetenzen und medienpädagogische Kompetenzen. Mit der Digitalisierung verbundene Chancen und Risiken können sich jedoch ungleich auf unterschiedliche Gesellschaftsgruppen verteilen. Auch soziale Ungleichheiten können sich über das Medienhandeln (re-)produzieren und Veränderungen zu Handlungsunsicherheit führen.

Kompetenzanforderungen

Durch die Digitalisierung entstehen neue Kompetenzanforderungen, für die Pädagogik zum Beispiel, die Menschen in ihrem Kompetenzerwerb bedarfsgerecht zu unterstützen.

Kompetenzbegriffe (nach dem Papier)

Digitale Kompetenz | Medienkompetenz

Unterdimensionen (nach dem Papier)

keine Angabe

Kompetenzdimensionen (nach dem Rahmenkonzept von Digitales Deutschland)

Instrumentell-qualifikatorische Dimension: Digitale Technologien sicher und angemessen nutzen können; auf Informationen über Technologien und Daten zugreifen können.

Kognitive Dimension: Informationen verstehen können; Informationen verwalten können; recherchieren; Wissen über heutige Mediensysteme.

Kreative Dimension: Digitale Inhalte erstellen; Problemlösungsstrategien; Medien verändern und weiterentwickeln.

Soziale Dimension: Kommunikation und Kooperation; mit Hilfe von digitalen Technologien interagieren.

Kritisch-reflexive Dimension: Informationen bewerten können; Sicherheit der Geräte und Datenschutz einschätzen können; problematische gesellschaftliche Prozesse analytisch erfassen; gesellschaftskritische Haltung.

Zentrale theoretische Annahmen über Kompetenz

Die Autorinnen stellen die beiden Begriffe Medienkompetenz und digitale Kompetenz einander gegenüber. Medienkompetenz gilt als eine Schlüsselkompetenz – also Kompetenzen, die alle Menschen für „die persönliche Entfaltung, die soziale Integration, den Bürgersinn und die Beschäftigung“ brauchen (S. 72). So gilt sie auch in der Eingliederungshilfe als wichtig. Denn ihrer bedarf es unter anderem, um gesellschaftliche Partizipation zu fördern. Angelehnt an Dieter Baacke wird arumentiert, dass „durch medienbezogene Handlungskompetenz ein selbstbestimmtes Handeln mit und durch Kommunikationsmittel möglich“ ist. Medienkompetenz beschreibt die „Fähigkeit des Individuums, sich in einer mediatisierten Umwelt zurechtzufinden und in ihr zu agieren“ (S. 69). Für digitale Kompetenz werden Definitionen der UNESCO sowie des DigComp 2.0 der Europäischen Kommission herangezogen. Digitale Kompetenz erscheint als zentral, um am wirtschaftlichen und sozialen Leben teilnehmen zu können. Dieser Begriff hat sich entwickelt, da davon ausgegangen wird, dass sich mit dem digitalen Wandel neue Kompetenzanforderungen ergeben haben, die der ursprüngliche Medienkompetenzbegriff nicht umfasst. Mittlerweile gibt es aber zahlreiche Konzepte, die mit digitaler Kompetenz in Verbindung gebracht werden, zum Beispiel E-Literacy, Computer Literacy oder Media Literacy. Dadurch wird der Begriff ein Stück weit unpräziser. Insgesamt werden Medien- und digitale Kompetenz jedoch oft synonym verwendet und tatsächlich haben sie inhaltlich viele Überschneidungen. In diesem Buch wird vorrangig von digitaler Kompetenz gesprochen. Dabei ist die Perspektive der Medienkompetenz jedoch jeweils eingeschlossen. Das bedeutet auch, dass Medienkompetenz – wie auch digitale Teilhabe – nicht auf technische Aspekte reduziert werden sollte.

Perspektive der Kompetenzträger*innen auf Kompetenz einbezogen?

keine Angabe

Lebenskontexte der Kompetenzträger*innen einbezogen?

Die Autorinnen adressieren die Kompetenzaneignung in konkreten Lebenssituationen der Menschen mit Beeinträchtigung, beispielsweise in Einrichtungen der Sozialen Arbeit oder der Eingliederungshilfe. Dabei stellen sie fest, dass in sozialen und pädagogischen Kontexten oftmals Skepsis gegenüber der Einführung von Technologien besteht. Die Accessability sowie Usability digitaler Geräte sind für Menschen mit einer Beeinträchtigung notwendige, jedoch nicht hinreichende Bedingungen für digitale Teilhabe. Erforderlich ist außerdem ein kompetenter Umgang mit digitalen Technologien in der eigenen Situation. Um diese Kompetenz zu fördern, gilt es, das individuelle Lernverhalten sowie Lernbedürfnisse zu berücksichtigen, einen Bezug zum Alltag der Individuen herzustellen und Selbst- und Mitbestimmung zu ermöglichen. Angebote sollten freiwillig sein, sich an der Zielgruppe orientieren und regelmäßig stattfinden. Zudem ist es wichtig, das Umfeld der Menschen mit Beeinträchtigung einzubeziehen. Denn oftmals müssen von diesem Impulse kommen. Allerdings zeigt sich bezogen auf die Medienkompetenz der Menschen mit Beeinträchtigung ein Digital Disability Divide. Dieser folgt nicht aus der Beeinträchtigung selbst, sondern entsteht durch ein Wechselspiel verschiedener Barrieren – etwa technischer, finanzieller, motivationaler Hürden und Hemmnisse auf sozialer Ebene. Hinzu kommen Unterschiede zwischen verschiedenen Einrichtungen. So nutzen zum Beispiel weniger Menschen in stationären als in ambulanten Einrichtungen einen Computer oder ein Smartphone. Auch sind Fortbildungsangebote zu digitaler Kompetenz für Menschen mit Beeinträchtigung und und zur Vermittlung von Kompetenz für Mitarbeitende bislang eher rar.

Herausforderungen der Erfassung von Kompetenz

keine Angabe

Quellenangabe

Albrecht, J., & Hüning, N. (2024). Digitale Teilhabe von Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung: Entwicklung einer Definition, eines Modells und eines Erhebungsinstruments. Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-44380-1

Sonstige Anmerkungen

Die Autorinnen betonen, dass es eine Aufgabe der Eingliederungshilfe ist, Angebote zur Förderung von Medienkompetenz in ihre Strukturen zu integrieren. Allerdings sind Fachkräfte in der begleitenden Nutzung von digitalen Technologien häufig zurückhaltend, da sie den Menschen mit Beeinträchtigung einen kompetenten Umgang eher weniger zutrauen. Häufig verfügen Menschen mit geistiger Beeinträchtigung über wenig Wissen in Bezug auf digitale Technologien. Damit sie digitale Medien nutzen, benötigen sie daher oft Impulse von Bezugspersonen. Diese zweifeln allerdings häufig an ihrer eigenen digitalen Kompetenz und fühlen sich nicht in der Lage, Menschen mit geistiger Beeinträchtigung bei der Aneignung zu unterstützen.

Zuletzt geändert am 27. Juni 2025.