Wenn Wissen zu Handeln wird: Medienkompetenz aus motivationaler Perspektive

Kurzbeschreibung

Die Erhebungsstudie des Hans-Bredow-Instituts beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit Kinder und Jugendliche fähig und motiviert sind, ihr Wissen in Handeln umzusetzen. Eine zentrale Annahme ist, dass Jugendliche im Internet dazu motiviert werden, medienkompetent zu handeln. Um diese Hypothese zu testen, wird eine Befragung von Kindern und Jugendlichen in Form von Leitfadeninterviews durchgeführt. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Medienkompetenz als ein Prozess betrachtet werden soll, wobei Wissen und Handeln nicht voneinander getrennt beobachtet werden sollen.

Annahmen über die Folgen der Digitalisierung

Die Forschenden argumentieren, dass durch die Digitalisierung Medienkompetenz vor Herausforderungen gestellt wird. Der Grund dafür ist, dass die Grenzen zwischen medialen und sozialen Praktiken immer mehr verfließen. Zusätzlich müssen sich Jugendliche stärker selbst sozialisieren können.

Kompetenzanforderungen

Nutzende sollen in der Lage sein, sich Handlungslogiken aus den Medien aktiv anzueignen, und nicht nur zu kopieren. Außerdem sollen Nutzende in der Lage sein, Medienkritik auszuüben. Dazu kommt noch, dass Jugendliche die Fähigkeit besitzen sollen, Emotionen, die sie online erleben, zu verarbeiten und in der Folge auch dementsprechend handeln zu können. Zusätzlich sollen Jugendliche Inhalte im Netz finden können, die für sie hilfreich sein könnten, um ihre Bedürfnisse (bewusste oder unbewusste) zu befriedigen.

Kompetenzdimensionen

Kognitive Dimension: medienbezogenes Strukturwissen; technisches Funktionswissen; sich Handlungslogiken aus den Medien aktiv aneignen können (anstatt sie zu kopieren).

Affektive Dimension: Mood Management; Emotionen (wie Trauer, Furcht, aber auch Genuss), die man online erlebt, verarbeiten beziehungsweise empathisch handeln können.

Kreative Dimension: Mediengestaltung.

Soziale Dimension: medienvermitteltes (Handlungs-)Wissen z. B. lernen Jugendliche auf sozialen Netzwerkseiten soziales Miteinander; Partizipative Fähigkeiten (z.B. Wie handle ich mit anderen gemeinsam und wie behandle ich andere im Netz, z.B. in Online-Spielen als Team-, Konflikt- oder Kompromissfähigkeit); integrative Fähigkeiten, wie Anschlusskommunikation (Ist man in der Lage, mit anderen über das eigene Medienhandeln zu sprechen und Erfahrungen zu verarbeiten, insbesondere dann, wenn man mit Risiken konfrontiert ist?); Vermittlung (z.B. Kann jemand seine Fähigkeiten anderen weitergeben?); Fähigkeit, das eigene Handeln auf gesellschaftliche Normen und Werte zu beziehen; empathisch handeln können.

Kritisch-reflexive Dimension: den gesellschaftlichen Diskurs über Medienkompetenz (Risiken und Chancen der Internetnutzung) kennen (sich dazu positionieren und Handlungsentscheidungen treffen); Medialitätsbewusstsein (online die Rahmenbedingungen wahrnehmen und die Konsequenzen eigener Handlungen für die Lebenswelt abschätzen können); Medienkritik als reflexive und analytische Fähigkeit.

Zentrale theoretische Annahmen über Kompetenz

Die sozialisationstheoretische Perspektive auf Medienkompetenz fokussiert sich auf die Fragen, wann und wie Medienkompetenz entsteht und welche Folgen sie für die Lebenswelt haben kann bzw. welchen Einfluss Medienkompetenz auf andere Handlungskompetenzen haben kann. Christa Gebel und Swenja Wütscher argumentieren, dass Medienkompetenz Jugendlichen beim Regulieren ihrer Emotionen, Gedanken und ihrem Verhalten, bei der Aneignung von kulturellen Werten und Normen, sowie bei der Konfliktlösung und der Bewertung von sozialen Beziehungen helfen kann.

Perspektive der Kompetenzträger*innen auf Kompetenz einbezogen?

keine Angabe

Lebenskontexte der Kompetenzträger*innen einbezogen?

Die Lebenskontexte der Teilnehmenden wurden mit Hilfe von Leitfadeninterviews erfasst. Eine Beispielfrage war: Erzähl mir einfach mal, wie ein normaler Tag bei dir abläuft. Was war das Tollste, das du in letzter Zeit erlebt hast? (S. 42).

Herausforderungen der Erfassung von Kompetenz

Die Forschenden argumentieren, dass kaum adäquate Messinstrumente zur quantitativen Erfassung von Medienkompetenz vorhanden sind.

Zentrale empirische Befunde über Kompetenz

Anhand der Ergebnisse der qualitativen Leitfadeninterviews wurde eine Medienkompetenztypologie entwickelt. Diese zeigt, dass der Kompetenzerwerb von der Zunahme an Erfahrungen im Netz beeinflusst wird. Folgende sieben Medienkompetenztypen konnten identifiziert werden: die Genügsamen, die Braven, die Entdecker, die Verbundenen, die Arglosen, die Einsichtigen und die Kritischen. Außerdem konnten Faktoren identifiziert werden, die das medienkompetente Handeln von Kindern und Jugendlichen im Netz beeinflussen könnten. Diese sind: Entwicklungsstufe, Nutzung, Familie und Peer-Group.

Quellenangabe

Riesmeyer, C., Pfaff-Rüdiger, S., & Kümpel, A. (2016). Wenn Wissen zu Handeln wird: Medienkompetenz aus motivationaler Perspektive. Medien- und Kommunikationswissenschaft, 64(1), 36 – 55.

Zuletzt geändert am 27. September 2024.