„ChatGPT kennt die Schüler:innen nicht“. Einstellungen von angehenden Primarstufenlehrer:innen zur Nutzung von generativer KI für die Unterrichtsvorbereitung
Kurzbeschreibung
Wie denken Lehramtsstudierende über generative Künstliche Intelligenz zur Unterrichtsvorbereitung? Dieser Frage geht der vorliegende Beitrag auf Basis von leitfadengestützten Interviews mit 21 Studierenden nach. Die Befragten sehen im Einsatz Künstlicher Intelligenz sowohl Potenziale wie Zeitersparnis, äußern aber auch Kritik. Gleichzeitig offenbaren sich mit Blick auf Kompetenzmodelle wie das AI-PACK und das AI Competency Framework der UNESCO Kompetenzlücken, vor allem beim Prompting und der Bewertung KI-generierter Inhalte.
Annahmen über die Folgen der Digitalisierung
Seit der Veröffentlichung von ChatGPT wurden auf Basis von großen Sprachmodellen (LLMs) zahlreiche Anwendungen entwickelt – auch um Lehrkräften die Unterrichtsvorbereitung zu erleichtern. Damit gewinnt generative Künstliche Intelligenz auch zunehmend Bedeutung für die Unterrichtsplanung.
Kompetenzanforderungen
In vorliegendem Beitrag werden zahlreiche Kompetenzanforderungen aufgeführt, die sich zum einen auf den Umgang mit der Technologie und der Reflexion dessen beziehen, zum anderen aber auch auf die Vermittlung von Kompetenzen an Schüler*innen. Beispielhaft sind etwa zu nennen das kritische Überprüfen von Ergebnissen einer Künstlichen Intelligenz – sowohl in Bezug auf fachliche und didaktische Inhalte als auch hinsichtlich möglicher Bias oder ethischen Implikationen – oder sorgsames Prompten, in das auch Kontextdetails eingehen. Ausführlich sind die Anforderungen unter der Überschrift „Kompetenzdimensionen“ geordnet.
Kompetenzbegriffe (nach dem Papier)
Unterdimensionen (nach dem Papier)
Human-centred mindset,
Ethics of AI,
AI foundations and applications,
AI pedagogy,
AI for professional development (UNESCO 2024),
Content Knowledge,
Pedagogical Knowledge,
Technological Knowledge (Mishra & Koehler 2006),
AI Knowledge,
AI Pedagogical Knowledge,
AI Content Knowledge (Lorenz & Romeike 2023)
Kompetenzdimensionen (nach dem Rahmenkonzept von Digitales Deutschland)
Instrumentell-qualifikatorische Dimension: Generative KI-Tools (z. B. ChatGPT) bedienen; Prompting-Techniken anwenden.
Kognitive Dimension: Wissen über die Funktionsweise generativer Künstlicher Intelligenz; Verständnis für unterschiedliche Anwendungsfälle und -kategorien von Künstlicher Intelligenz; KI-Werkzeuge gezielt auswählen und anwenden; systemische Verzerrungen (Bias) in KI-Inhalten erkennen.
Affektive Dimension: Skepsis gegenüber KI-generierten Inhalten; Interesse und Neugier im Umgang mit generativer Künstlicher Intelligenz.
Kreative Dimension: Künstliche Intelligenz zur Ideenfindung einsetzen; KI-Werkzeuge kreativ an die Bedürfnisse von Lernenden anpassen; KI-Werkzeuge flexibel anpassen und neue didaktische Ansätze im Rahmen fortschreitender KI-Technologien erproben.
Kritisch-reflexive Dimension: Wissen über Konsequenzen Künstlicher Intelligenz; Qualität und Relevanz von KI-generierten Materialien reflektieren; Quellenangaben hinterfragen; kritisch hinterfragen, wann und wie Künstliche Intelligenz in einer ethisch verantwortungsvollen und menschenzentrierten Weise eingesetzt werden sollte; die Passung von KI-Ergebnissen für individuelle Klassensituationen bewerten; Menschenrechte und die Bedürfnisse menschlicher Entfaltung in den Mittelpunkt der Nutzung Künstlicher Intelligenz in der Bildung stellen; vertieftes Verständnis grundlegender Wertvorstellungen, Künstliche Intelligenz sicher und verantwortungsvoll nutzen.
Zentrale theoretische Annahmen über Kompetenz
Bislang wurde nicht eindeutig definiert, was KI-Kompetenz ist. Für den Bildungsbereich gibt es mehrere Konzepte – drei werden in vorliegendem Text näher beleuchtet. Die UNESCO fordert von Lehrkräften Kompetenzen in fünf Bereichen. Diese werden betitelt als eine menschenzentrierte Sichtweise, KI-Ethik, Grundlagen und Anwendungen von Künstlicher Intelligenz, KI-Pädagogik und Professionalisierung in Bezug auf Künstliche Intelligenz. Je nachdem wie umfassend das Wissen der Fachkräfte ist und wie gut sie dieses im pädagogischen Alltag anwenden können, unterscheidet das Modell zudem drei Stufen von Kompetenz, nämlich Erwerben, Vertiefen und Gestalten. Laut dem TPACK-Modell lässt sich Kompetenz als ein Zusammenspiel aus pädagogischem (PK), fachlichem (CK) und technologischem Wissen (TK) – beispielsweise der Fähigkeit, digitale Werkzeuge zu verstehen und handhaben zu können – begreifen. Das Wissen in diesen Bereichen ist notwendig, um Künstliche Intelligenz im Unterricht didaktisch sinnvolll einzusetzen – angepasst an Zielgruppe und Kontext. Das AI-PACK-Modell ergänzt TPACK um KI-spezifische Anforderungen.
Perspektive der Kompetenzträger*innen auf Kompetenz einbezogen?
Die Sichtweise der Studierenden spielt in der Studie eine zentrale Rolle und darüber auch ihre Kompetenzen im Umgang mit digitalen Tools. Genaueres dazu findet sich unter der Überschrift „Zentrale empirische Befunde über Kompetenz“.
Lebenskontexte der Kompetenzträger*innen einbezogen?
Die Autorin weist darauf hin, dass der Einsatz Künstlicher Intelligenz stets im Zusammenspiel mit gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Rahmenbedingungen betrachtet werden sollte, so zum Beispiel gesetzlichen Regelungen oder technischen Ressourcen vor Ort.
Herausforderungen der Erfassung von Kompetenz
keine Angabe
Zentrale empirische Befunde über Kompetenz
Die qualitative Studie stützt sich auf Interviews mit 21 Studierenden. Dabei wurden deren Sichtweisen, Erfahrungen und Bewertungen zur Nutzung generativer KI erhoben. Die Aussagen zeigen sowohl Potenziale als auch Kritik und Unsicherheiten im Umgang mit KI. Die meisten Befragten überprüfen Materialen aus dem Internet, bevor sie sie im Unterricht einsetzen. Entsprechend verfahren sie auch mit KI-generierten Inhalten. Sie reflektieren also durchaus kritisch das allgemeine als auch ihr eigenes Nutzungsverhalten. Die Einstellung der Studierenden gegenüber KI-generierten Inhalten ist dabei allerdings kritischer als gegenüber etablierten Quellen – auch aufgrund von Unsicherheit. Künstliche Intelligenz nutzen sie eher als Ergänzung zu vertrauten Materialien. Die Interviews zeigen, dass grundlegende technologische Kompetenzen vorhanden sind. So nutzen die Studierenden beispielsweise Künstliche Intelligenz als Inspiration und wissen um die Bedeutung, Ergebnisse kritisch zu prüfen. Allerdings fehlt ihnen tiefergehendes Wissen, etwa zum gezielten iterativen Prompting oder dazu, wie KI-Modelle trainiert werden und welche Verzerrungen sich ergeben können.
Quellenangabe
Gabriel, S. (2025). „ChatGPT kennt die Schüler:innen nicht“ – Einstellungen von angehenden Primarstufenlehrer:innen zur Nutzung von generativer KI für die Unterrichtsvorbereitung. Medienimpulse, 63(1). https://doi.org/10.21243/mi-01-25-09
Sonstige Anmerkungen
Die befragten Lehramtsstudierenden verfügen über wenig Erfahrung mit generativer Künstlicher Intelligenz für die Unterrichtsplanung. Insgesamt ist ihre Haltung ambivalent. Besonders wichtig ist den Studierenden die Prüfung der Inhalte und deren didaktische Qualität. Viele äußern Unsicherheit und Skepsis, besonders hinsichtlich fehlender Quellenangaben, mangelnder Passung der Materialien für die eigene Klasse und der Sorge, dass ein unreflektierter Einsatz zu Kompetenzverlust führen könnte. Gleichzeitig erkennen sie Potenziale wie Zeitersparnis und kreative Anregungen.