Das Verständnis von digitaler Grundbildung in Erwachsenenbildungseinrichtungen
Kurzbeschreibung
Welches Verständnis herrscht in Erwachsenenbildungseinrichtungen von digitaler Grundbildung? Und aus welchen Komponenten setzt es sich zusammen? Um diesen Fragen nachzugehen, wurden leitfadengestützte Interviews mit Programmplanenden und Lehrenden aus der Erwachsenenbildung geführt. Dabei legt die Autorin den Schwerpunkt auf Bildungseinrichtungen, die Erwachsenen altersgerechte formelle Angebote unterbreiten. Ihnen schreibt sie eine Sonderstellung bei der Kompetenzförderung zu, da sie annimmt, informelle Bildungsangebote seine nicht angemessen für ältere Menschen, die über keine Medienkompetenzen verfügen.
Annahmen über die Folgen der Digitalisierung
Digitale Grundbildung ist heutzutage in nahezu jedem Beruf unabdingbar und darüber hinaus relevant, um an der Gesellschaft teilzuhaben. Aufgrund ihrer Relevanz, hat auch die Forschung zu diesem Thema zugenommen. Studien zufolge ist es schlecht um die digitalen Kompetenzen der deutschen Erwachsenen bestellt - vor allem von Erwachsenen mit eingeschränkten Fähigkeiten im Schreiben und Lesen sowie von Menschen im höheren Lebensalter. Zugleich gibt es in Erwachsenenbildungseinrichtungen aber schon verschiedene Angebote zur digitalen Grundbildung.
Kompetenzanforderungen
Im Text werden verschiedene Kompetenzanforderungen mit Blick auf digitale Grundbildung angesprochen. Eine ausführliche Liste dieser findet sich unter der Überschrift „Kompetenzdimensionen“.
Kompetenzbegriffe (nach dem Papier)
Unterdimensionen (nach dem Papier)
funktional-pragmatische Inhalte und Kompetenzen,
kritisch-hinterfragende Inhalte und Kompetenzen
Kompetenzdimensionen (nach dem Rahmenkonzept von Digitales Deutschland)
Instrumentell-qualifikatorische Dimension: Bedienwissen; digitale Werkzeuge sowie Hard- und Software angemessen nutzen; einen PC ein- und ausschalten; eine Maus bedienen; Drucker und Kopierer benutzen; Software wie MS Office, Datenverarbeitungsprogramme und Kommunikationsplattformen (z.B. Zoom oder WhatsApp) nutzen; mit Touchscreen und dem Internetbrowser umgehen; mit Situationen umgehen können, in denen etwas nicht funktioniert.
Kognitive Dimension: Grundlagen im Datenschutz; Quellenkritik; Wirkungszusammenhänge verstehen (wissen, wo man klicken muss).
Soziale Dimension: Angemessen im digitalen Raum kommunizieren.
Kritisch-reflexive Dimension: Medien hinterfragen; eigenes Medienhandeln einordnen; reflektieren, wie man sich im Internet bewegt; Gefahren erkennen; medienkritische Haltung; mit Medien aufgeklärt umgehen.
Zentrale theoretische Annahmen über Kompetenz
Digitale Grundbildung bildet eine Voraussetzung zur Teilhabe in digitalisierten Gesellschaften. Das ist aber nicht das einzige Ziel, zu dem digitale Grundbildung führen soll. Hinzu kommen etwa, Wohlbefinden und Autonomiegefühl zu stärken. Jedoch gibt es in der Erwachsenenbildung keine einheitliche Definition digitaler Grundbildung. Das spiegelt sich auch in der herrschenden Begriffsvielfalt. So wird nicht ausschließlich von digitaler Grundbildung gesprochen, sondern auch von Mediengrundbildung oder Digital Literacy. Zudem wird der Begriff je nach Stand der technologischen Entwicklung, dem Zeitgeist und des institutionellen Angebots unterschiedlich ausgelegt. Digitale Grundbildung ist also ein relationaler Begriff. Häufig wird sie in Bezug zu Medienkompetenzmodellen gesetzt – in Deutschland vor allem zu Dieter Baackes Konzept. Problematisch ist dabei allerdings, dass die unterste Kompetenzstufe in den meisten dieser Modelle unkonturiert bleibt. Auch existiert zwar eine Vielzahl an Modellen zu digitaler Kompetenz, jedoch fokussieren sie sich nicht auf digitale Grundbildung. Nur das European Digital Competence Framework for Citizens und dessen österreichische Variante integrieren digitale Grundbildung als Basisebene. Für die digitale Grundbildung Erwachsener stehen aktuell kaum Konzepte zur Verfügung. Allerdings haben Koppel und Langer ein entsprechendes Modell vorgeschlagen. Es soll sowohl Voraussetzungen für die Mediennutzung als auch digitale Fähigkeiten umfassen. Auf eine konkrete Operationalisierung wird dabei verzichtet, um das Konzept auch unabhängig von gesellschaftlichen Entwicklungen nutzen zu können.
Perspektive der Kompetenzträger*innen auf Kompetenz einbezogen?
Was die befragten Praxisvertreter*innen unter digitale Grundbildung fassen, ist ausführlich unter der Überschrift “Zentrale empirische Befunde über Kompetenz” beschrieben.
Lebenskontexte der Kompetenzträger*innen einbezogen?
In die Studie sollten möglichst verschiedene Perspektiven aus der Praxis eingebunden werden, daher wurden Mitarbeiter*innen aus Volkshochschulen, Verbänden, Bildungswerken sowie konfessionellen Anbietern einbezogen. Was digitale Grundbildung ist, hängt in den Augen der Befragten von den Zielgruppen sowie deren Lebenskontexten (beispielsweise ob es um den Beruf, den Alltag oder Bildungskontexte geht) ab. Danach sollten auch Angebote ausgerichtet sein. Beispielhaft wird dies für vier Zielgruppen veranschaulicht, wobei es jedoch bei allen die Heterogenität der Zielgruppe zu bedenken gilt – sowohl in Bezug auf unterschiedliche Bedarfe als auch Vorkenntnisse. Bei Senior*innen komme es darauf an, durch die Stärkung digitaler Grundbildung Ängste im Umgang mit digitalen Technologien zu nehmen. Bei Berufstätigen gehe es darum, zu eruieren, welche Kompetenzen sie bei der beruflichen Umorientierung benötigen. Bei Menschen im zweiten Bildungsweg liege der Fokus darauf, sie für den beruflichen Werdegang zu qualifizieren, indem sie mehr Erfahrungen im Umgang mit digitalen Medien sammeln. Dazu zählten Menschen, die eine Migrationgeschichte haben, über gering ausgeprägte Fähigkeiten im Lesen und Schreiben oder über knappe finanziellen Ressourcen verfügen. Jüngere Erwachsene wiederum müssten laut einem Teil der Befragten ihr Basiswissen verbessern, einen besseren Umgang mit Hardware erlernen und eine medienkritische Haltung kultivieren, an der es oftmals mangele.
Herausforderungen der Erfassung von Kompetenz
Zwar werden in mehreren Studien digitale Kompetenzen bei Erwachsenen untersucht, diese setzen aber unterschiedliche Schwerpunkte und nehmen verschiedene Zielgruppen ins Visier.
Zentrale empirische Befunde über Kompetenz
Die Bildungspraktiker*innen verstehen digitale Grundbildung eher als etwas Relatives („DIE digitale Grundbildung, die gibt es nicht“ S. 166). Einige Befragte orientieren sich bei der Frage, was digitale Grundbildung ausmacht und welcher Kompetenzen es bedarf, an Kompetenzrahmen wie dem DigComp. Sie stellen dabei jedoch fest, dass nicht alle dort beschriebenen Kompetenzen für digitale Grundbildung relevant sind, da sie über Grundbildung weit hinausgehen. Anderen wiederum fällt es schwer, dem Begriff konkrete Inhalte und Kompetenzen zuzuordnen. Doch die Mehrheit kann einschätzen, welche digitalen Kompetenzen zu komplex sind, um noch als Grundbildung durchzugehen. Digitale Grundbildung wird von den Befragten dezidiert von Expert*innenwissen und Fachkompetenzen abgegrenzt. Unter digitaler Grundbildung verstehen sie sowohl funktional-pragmatische als auch kritisch-hinterfragende Kompetenzen. Wer nicht über digitale Grundkompetenzen verfügt, wird laut Einschätzung der Befragten heute erhebliche Nachteile im Alltag und bei der Lebensgestaltung erfahren.
Quellenangabe
Weber, J. (2023). Das Verständnis von digitaler Grundbildung in Erwachsenenbildungseinrichtungen. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung – Report, 46, 159–176. https://doi.org/10.1007/s40955-023-00235-z