Medienkompetenz für ältere Menschen: der Schlüssel zur digitalen Teilhabe

Der digitale Wandel betrifft uns alle – dabei bleiben die höchst individuellen Bedürfnisse älterer Menschen allerdings oft unbeachtet. Basierend auf den Ergebnissen zweier Studien der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg erfahren Sie, wie gezielte, niederschwellige Bildungsangebote deren Digitalkompetenzen fördern und Ängste im Umgang mit digitalen Technologien abbauen können. Wir zeigen auf, wie intergenerationelles Lernen, Peer-to-Peer-Formate und kultursensible Ansätze dabei helfen, ältere Menschen – insbesondere Migrant*innen – in die digitale Gesellschaft einzubeziehen.

Heterogene Lebenswirklichkeiten und negative Altersbilder: Herausforderungen für die digitale Teilhabe im höheren Lebensalter

Eine zentrale Herausforderung für eine bedarfsorientierte Förderung von Digitalkompetenzen besteht in der großen Heterogenität der Zielgruppe der älteren Menschen. Altersspezifische Lernvoraussetzungen, gesundheitliche Einschränkungen und unterschiedliche Bildungsniveaus, aber auch die höchst unterschiedlichen Lebenslagen und biografischen Erfahrungen im Umgang mit (digitalen) Medien beeinflussen die Art und Weise, wie digitale Technologien wahrgenommen und genutzt werden. Während Suchmaschinen und Messenger-Dienste bereits vielfach ein selbstverständlicher Teil des Lebensalltags sind, tun sich viele Ältere mit komplexeren Anwendungen, wie KI-gestützten Diensten, schwer.  

Dabei zeigt sich, dass die Haltung vieler älterer Menschen gegenüber neuen Technologien nicht nur von einer grundlegenden Skepsis geprägt ist, sondern auch von Ängsten und dem negativen Selbstbild, mit der digitalen Entwicklung ohnehin nicht mehr Schritt halten zu können. Die Sorge um Datenschutz und Sicherheit sind weitere Barrieren, die in beiden Studien immer wieder genannt werden. Hier ist es entscheidend, dass Medienbildungsangebote gezielt auf diese Ängste eingehen und den älteren Menschen den sicheren Umgang mit digitalen Tools vermitteln. Dies macht insbesondere die Studie zu Ermöglichungsbedingungen des Erwerbs von Digitalkompetenzen im Alter deutlich. Für die Studie wurden 20 Expert*innen aus der Bildungspraxis (Pädagog*innen, Geragog*innen, Medienpädagog*innen, Sozialarbeiter*innen, Technikbegleiter*innen) interviewt.  

Gemeinsam statt allein: der Stellenwert des sozialen Austauschs für Ältere

Für die Motivation, neues Wissen und Fertigkeiten im Umgang mit digitalen Medien zu erwerben, ist das soziale Umfeld von entscheidender Bedeutung. Insbesondere Familienangehörige tragen maßgeblich dazu bei, ältere Menschen bei der Nutzung digitaler Medien zu begleiten. Ihnen fehlt es jedoch häufig an Zeit, Geduld oder didaktischen Fähigkeiten, um die Lernprozesse erfolgreich zu unterstützen. Dies hat nicht selten zur Folge, dass ältere Menschen resignieren und sich in ihrem medien- und altersbezogenen negativen Selbstbild bestätigt sehen. 

In der Praxis der Förderung von Digitalkompetenzen hat sich vor allem das Lernen mit Gleichaltrigen in Peer-to-Peer-Lernsettings bewährt. Die geteilten Erfahrungen von Lernenden und Lehrenden erlauben hier eher eine Beziehung auf Augenhöhe, in der ohne Versagensängste sowohl Inhalte als auch das Lerntempo angemessen ausgehandelt werden können.

Von Stereotypen zur Realität: die vielfältige digitale Teilhabe älterer Migrant*innen

Ältere Migrant*innen stehen vor vergleichbaren Herausforderungen. Verstärkt werden diese jedoch zusätzlich durch Sprachbarrieren, ungleiche Bildungsressourcen oder den eingeschränkten Zugang zu digitalen Medien. Auch werden Weiterbildungsangebote hier nur selten zur Kenntnis genommen. Denn im Falle digitaler Probleme wenden sich ältere Migrant*innen vor allem an ihre Familienmitglieder. Gleichwohl greifen auch hier, insbesondere bei Frauen, negative Alterszuschreibungen, die Auswirkungen auf das Selbstvertrauen, die Selbstwirksamkeitserwartungen und die subjektiven Altersbilder haben können.  

Dabei sind ältere Migrant*innen oft sehr engagiert: Sie nutzen digitale Technologien nicht nur für alltägliche Aufgaben, sondern auch für ihr ehrenamtliches Engagement, etwa als Dolmetscher*innen in Bürgervereinen und Integrationsinitiativen. Ihre bereichernde und wertvolle Rolle innerhalb der Gesellschaft bleibt allerdings meist im Hintergrund, obwohl sie ein lebendiges Beispiel für die aktive und vielfältige Nutzung digitaler Technologien im höheren Alter sind.  

Herausgearbeitet wurde dies in der Studie zum Medienhandeln älterer Menschen mit Migrationsgeschichte. Interviewt wurden 31 Migrant*innen, die zwischen 1942 und 1962 geboren wurden und im Großraum Stuttgart leben. Das Sample spiegelt die hohe Binnendiversität dieser Gruppe wider (u. a. Eingewanderte, Gastarbeiter*innen und Geflüchtete aus verschiedenen Ländern). 

Inklusion durch Bildung: nachhaltige Bildungskonzepte für eine vielfältige Zielgruppe

Beide Studien machen deutlich, dass erfolgreiche Bildungsangebote für ältere Menschen vor allem niederschwellig, flexibel und auf die Lebensrealitäten der Zielgruppen ausgerichtet sein müssen. Angebote wie digitale Erzählcafés, bei denen ältere Menschen von ihren Lebenserfahrungen berichten und dabei en passant auch digitale Fähigkeiten erlernen können, haben sich in der Vermittlungspraxis bereits vielfach bewährt. Sie ermöglichen es den Teilnehmenden, sich ohne Druck mit digitalen Medien auseinanderzusetzen und ihre eigenen Interessen einzubringen. Um Ängste im Umgang mit digitalen Geräten abzubauen, helfen individuelle Beratungsgespräche und der Austausch mit Gleichaltrigen.  

Insbesondere für ältere Migrant*innen ist eine zugehende, quartiersnahe Ansprache wichtig. Ein flächendeckendes Netzwerk aus mehrsprachigen, kultursensiblen Dozent*innen sowie die Vernetzung ehrenamtlicher Akteure fördern die nachhaltige Professionalisierung der Medienkompetenzförderung für ältere Menschen. Nur durch eine hinreichende Berücksichtigung der großen Binnendiversität der Zielgruppen Älterer – sei es im Hinblick auf Geschlecht, kulturellen Hintergrund oder sozioökonomischen Status – kann eine inklusive Medienbildung gewährleistet werden, die alle Menschen im digitalen Zeitalter mitnimmt.