Medien- und Digitalkompetenz kann Demokratie stützen
In einer Welt, in der soziale Medien und digitale Plattformen die Verbreitung von Informationen dominieren, gewinnt der Kampf gegen Desinformation an zentraler Bedeutung. Kann hier die Förderung von Digitalkompetenzen einen Beitrag leisten? Eine Antwort liefern Anna Soßdorf, Carolin Stein, Isabel Bezzaoui und Jonas Fegert vom FZI Research Center for Information Technology mit ihrem „Synergistic Literacy Model against Desinformation“. Das Modell verbindet kritische Medienkompetenz und Datenkompetenz zu einer umfassenden Strategie für die Stärkung demokratischer Werte.

Abb. 1: Synergistic Literacy Model against Desinformation (Soßdorf et al. 2024, S. 64)
Kritische Medienkompetenz als Basiskompetenz gegen Desinformation
Kritische Medienkompetenz nach Soßdorf et al. (2024) stellt die Fähigkeit in den Mittelpunkt, Medieninhalte zu bewerten, deren Funktionsweise zu verstehen und deren Einfluss kritisch zu hinterfragen. Sie besteht – in Anlehnung an Schmitt et al. (2018) – aus drei Kernaspekten:
- Bewusstsein: Nutzer*innen müssen sich darüber im Klaren sein, dass Desinformation ein strukturelles Problem ist. Dazu gehört das Wissen über Algorithmen, die Funktionsweisen von Social Media und die Formen digitaler Manipulation.
- Reflexion: Inhalte werden hinterfragt und in einen gesellschaftlichen Kontext gesetzt. Warum wird eine bestimmte Nachricht verbreitet? Wer profitiert davon? Diese Fragen fördern kritisches Denken.
- Empowerment: Das Ziel ist, Menschen zu befähigen, aktiv an gesellschaftlichen Diskursen teilzunehmen und sich gegen Desinformation zu positionieren. Empowerment schließt den Kreislauf, indem es das Bewusstsein für Manipulation verstärkt und Reflexionsprozesse anregt.
Datenkompetenz ist die zeitgemäße Ergänzung
Die Rolle der Datenkompetenz in diesem Modell ist nicht minder bedeutsam. Sie erweitert die Kernaspekte von Medienkompetenz (Bewusstsein, Reflexion und Empowerment) und bietet Werkzeuge, um Desinformation auf einer strukturellen Ebene zu begegnen:
- Data Thinking: Die Reflexion über die Herkunft und Nutzung von Daten schafft ein erweitertes Bewusstsein. Menschen lernen, wie Daten missbraucht werden können, etwa um politische Meinungen zu manipulieren oder Jugendliche für extremistische Gruppen zu gewinnen.
- Data Doing: Der aktive Umgang mit Daten im Alltag fördert sowohl Reflexion als auch Empowerment.
- Data Participation: Sich proaktiv mit und über Daten zu engagieren leistet eben-falls einen Beitrag zu Empowerment – etwa indem Menschen Daten für ihr zivilgesellschaftliches Engagement nutzen oder andere beim Kompetenzerwerb unterstützen können.
Gesellschaftliche Perspektive: Demokratie als Ziel
Über das Empowerment kommt eine gesellschaftliche Perspektive in das Modell von Soßdorf und Kolleg*innen. Empowerte Bürger*innen sind in der Lage, sich aktiv in demokratische Prozesse einzubringen, Desinformation entgegenzutreten und zivilgesellschaftliche Diskurse zu bereichern. In einer demokratischen Gesellschaft sind solche Kompetenzen unverzichtbar, um die Manipulation öffentlicher Meinungen zu erschweren und die Teilhabe aller zu fördern.
Kompetenzförderung als Auftrag für Bildung und Politik
Die Arbeit von Soßdorf und Kolleg*innen zeigt klar: Medien- und Datenkompetenz sind keine „Nice-to-haves“, sondern essenzielle Voraussetzungen für die Stabilität und Resilienz demokratischer Gesellschaften. Bildungssysteme und politische Entscheidungsträger*innen müssen dieses Potenzial erkennen und verstärkt in die Vermittlung dieser Kompetenzen investieren.