Von Datenschutz bis Diversität
Vier zentrale Herausforderungen im Umgang mit digitalen Medien
Digitale Medien und Künstliche Intelligenz (KI) sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, doch der Umgang damit stellt je nach Altersgruppe und Nutzungserfahrung unterschiedliche Anforderungen. In diesem Blogbeitrag werfen wir einen Blick auf vier zentrale Herausforderungen, die beim Umgang mit digitalen Technologien auftreten, und beleuchten die notwendigen Kompetenzen, die dabei helfen, souverän und sicher zu agieren. Von der selbstständigen Nutzung digitaler Medien über den Umgang mit Datenschutz bis hin zu den Themen Diversität und Diskriminierung – erfahren Sie, warum ein ganzheitliches Verständnis von Medienkompetenz entscheidend für die digitale Teilhabe ist.
Von Unsicherheit zur Kompetenz: wie verschiedene Altersgruppen KI und Medien nutzen lernen
Insbesondere für Kinder und Menschen im höheren Lebensalter ist es besonders herausfordernd, digitale Medien und KI interessengeleitet zu nutzen oder möglicherweise erst neu kennenzulernen. So zeigt die Repräsentativbefragung „Kompass: Künstliche Intelligenz und Kompetenz“, dass viele Menschen im Rentenalter, häufig mit niedrigerem oder mittlerem Bildungsabschluss, selten oder nie das Internet nutzen. Für diese beiden Gruppen steht zunächst die Entwicklung von Kompetenzen auf instrumentell-qualifikatorischer Ebene im Fokus, doch auch die kognitiven, sozialen und affektiven Aspekte spielen eine große Rolle. Das zeigen die begleitenden qualitativen Studien zu den unterschiedlichen Altersgruppen. Ein grundlegendes Funktionswissen sowie Fähigkeiten hinsichtlich des Datenschutzes und zur Einschätzung der Glaubwürdigkeit von Informationen sind hierbei hervorzuheben. Die Unsicherheiten, die besonders im Umgang mit neuen digitalen Technologien auftreten können, erfordern insbesondere soziale und affektive Fähigkeiten. Diese helfen dabei, bei Bedarf Unterstützung anzufordern und auf Unsicherheiten zu reagieren.
Kompetenz durch Kreativität: die Rolle des Ausprobierens beim Umgang mit digitalen Medien
Die Repräsentativbefragungen und qualitativen Studien zeigen, dass diejenigen, die digitale Medien und KI häufig nutzen, ein besseres Verständnis für digitale Technologien haben und sich ihrer Handlungsmöglichkeiten bewusster sind. Die interviewten Jugendlichen beispielsweise haben mit zunehmender Erfahrung eine differenzierte Wahrnehmung ihrer Handlungsoptionen entwickelt. Ein wichtiger Faktor hierbei ist das explorative Ausprobieren, das ihnen hilft, ihre Kompetenzen selbstständig weiterzuentwickeln. In einer Repräsentativbefragung gaben über 85 Prozent der Befragten an, sich ihre medienbezogenen Kompetenzen selbst beigebracht zu haben – das betont die Bedeutung eines explorativen Ansatzes. Besonders die kreative Dimension der Digital- und Medienkompetenz scheint entscheidend zu sein, da sie ein praktisches Verständnis der Funktionsweisen von KI-Systemen fördert.
Daten schützen – aber wie?
Der Datenschutz ist eine komplexe Herausforderung, die alle Altersgruppen betrifft. Im „Kompass: Künstliche Intelligenz und Kompetenz 2023“ messen 97 Prozent der Befragten dem Schutz der eigenen Online-Daten eine (große) Bedeutung zu. Jedoch sind die Befragten – je nach Anforderung – deutlich unsicherer, ob sie ihre Daten auch schützen können. Jüngere Befragte bewerteten ihre Fähigkeiten dabei positiver als ältere, die sich hier oft unsicherer fühlten. Die qualitative Studie zu Kindern zeigt, dass diese noch wenig Vorstellung von „Daten“ haben. Das stellt Eltern vor die Aufgabe, mit der Freigabe der Daten ihrer Kinder kompetent umzugehen und die Kinder an das Thema Datensouveränität heranzuführen.
Den meisten befragten Eltern ist bewusst, dass die Nutzung von Angeboten mit algorithmischen Empfehlungssystemen mit der Freigabe personenbezogener Daten ihrer Kinder einhergeht. Dies wird jedoch nur von einzelnen Eltern explizit als kritisch bewertet. Die Datenauswertung wird zur Optimierung vorgeschlagener Inhalte mit Blick auf das eigene Kind dabei eher positiv gesehen, da die Sorge sinkt, das Kind könne mit ungeeigneten Inhalten konfrontiert werden. Manche Eltern zeigen sich eher gleichgültig gegenüber unternehmerischen Datenpraktiken und betonen, dass es für ihre und die Mediennutzung ihrer Kinder keine Rolle spiele, weil sie nichts zu verbergen hätten bzw. denken, ihre und die Daten ihrer Kinder seien nicht von Relevanz. Andere Eltern zeigen sich resigniert angesichts der als übermächtig wahrgenommenen Datenerhebung und -auswertung durch Unternehmen und bewerten die Situation damit ähnlich wie viele Jugendliche. Diese Wahrnehmung geht mit der Annahme einher, dass eine alternative, datenschutzfreundlichere Nutzung von digitalen Angeboten schwer umzusetzen sei, wodurch sich eine fatalistische Haltung gegenüber der umfassenden Datensammlung etabliert.
Auch die Erfahrungen von Menschen mit Migrationsgeschichte spiegeln ähnliche Herausforderungen wider. Hier zeigt sich ein Bewusstsein für Datenschutzrisiken, jedoch führt dies meist nicht zu Verhaltensänderungen. Oft werden Sicherheitsbedenken eher pragmatisch verarbeitet: Cookies werden akzeptiert oder unerwünschte Inhalte ignoriert. Dennoch werden bestimmte Funktionen von manchen bewusst nicht genutzt, beispielsweise Online-Banking auf mobilen Geräten oder Online-Shopping über den Smart Speaker, um datenschutzrelevante Risiken zu reduzieren.
Neben instrumentell-qualifikatorischen, kritisch-reflexiven und kognitiven Fähigkeiten zum Umgang mit Daten zeigen die Studien, dass der Umgang mit Gefühlen, wie Grusel, Ärger oder Ohnmacht, virulent werden kann. Dies lässt die affektive Dimension von Medienkompetenz im Umgang mit Daten bedeutsam werden. Zudem wird deutlich: Die Handlungsfähigkeit des Einzelnen ist mit Blick auf den Datenschutz begrenzt, wenn digitale Medien und KI genutzt werden. So scheint es umso wichtiger, Menschen durch aktive Medienarbeit Artikulationsräume zu eröffnen und so Teilhabe am gesellschaftspolitischen Diskurs um Datensouveränität zu ermöglichen.
Diversität fördern und Diskriminierung begegnen
Die Themen Diversität und Diskriminierung stellen zwei Aspekte dar, denen eine wichtige Rolle in der Förderung von Medienkompetenz zukommt.
Erstens: Stereotype Vorstellungen von Zielgruppen der Kompetenzförderung offenbaren die Unvollständigkeit in der Repräsentation der Vielfalt von Lebensrealitäten in Bildungsangeboten. Insbesondere die Studie der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg zeigt dies für ältere Menschen. In den visualisierten Nutzungssituationen dominieren oft vereinfachte Darstellungen, die die tatsächliche Vielfalt dieser Gruppe nicht adäquat widerspiegeln, wie etwa die Verhäuslichung der Mediennutzung oder das Fehlen von Hochaltrigkeit oder Migrationsgeschichte.
Das Gegeneinander-Ausspielen von mehr oder weniger kompetenten Generationen ist vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse nicht zielführend. Vielmehr sollten Generationenzuschreibungen diskursiv hinterfragt werden, insbesondere wenn gesellschaftliche Streitfragen sich an unterschiedlichen Werteorientierungen der Generationen entzünden. Ein „undoing generation“ könnte bedeuten, Lebenslagen wie Armut oder Migration stärker generationenübergreifend zu betrachten und kritisch zu begleiten, wie der digitale Wandel zum gesellschaftlichen Miteinander beiträgt. In diesem Kontext wird die kritisch-reflexive Dimension von Kompetenz besonders relevant.
Der zweite Aspekt betrifft die Diskriminierung durch digitale Medien und KI. Die Studie der Universität Siegen zeigt, dass Menschen mit Migrationsgeschichte algorithmische Diskriminierung selten wahrnehmen. Es wurden jedoch einige Probleme identifiziert, insbesondere die Zuschreibung kultureller Identität in digitalen Diensten mit Empfehlungssystemen und die automatisierte Anpassung der Sprache. Positiv wird der Zugang zu Inhalten in der Herkunftssprache wahrgenommen.
Die Studie zu Jugendlichen zeigt zwei eng verwobene Dynamiken: (1) diskriminierende Inhalte und (2) die diskriminierende Funktionsweise von Empfehlungssystemen. Jugendliche erkennen beispielsweise LGBTQ-feindliche Inhalte sowie Beleidigungen gegenüber Nationalitäten und Religionen. Sie lehnen solche Inhalte ab, melden sie und blockieren die entsprechenden Accounts. Die Verantwortung für diskriminierende Inhalte schreiben die Jugendlichen den Erstellenden zu, weniger den Plattformen. Zudem nehmen Jugendliche wahr, dass Algorithmen vorurteilsgeleitet agieren, was sie kritisch bewerten. Einige sind sich jedoch nicht bewusst, dass ihre eigene Nutzung und die damit verbundene Datenerhebung diskriminierende Vorurteile reproduzieren können. Bezüglich der Diskriminierung in und durch digitale Medien und KI spielt neben der kognitiven und kritisch-reflexiven Dimension von Kompetenz auch die soziale und affektive Dimension eine Rolle.
Affektive und kreative Dimension von Medienkompetenz gewinnt an Bedeutung
Die Herausforderungen im Umgang mit digitalen Medien und KI machen deutlich, dass ein ganzheitliches Verständnis von Medienkompetenz notwendig ist. Insbesondere die affektive und kreative Dimension gewinnt an Bedeutung, da sie die Handlungskompetenz und das Sicherheitsgefühl stärkt.