Haben Ältere Freude an der Nutzung von KI?
Autorin: Cornelia Bogen
Ältere Menschen schneiden im Altersvergleich häufig schlecht ab, wenn Wissenschaftler*innen das Mediennutzungsverhalten und die digitalen Kompetenzen der Gesamtbevölkerung erfassen. Demnach handhaben sie digitale und KI-basierte Technologien weniger häufig, weniger kompetent und nutzen lediglich einen Ausschnitt verfügbarer Anwendungen (Initiative D21 2025; Engelhardt 2024). Mit Ausnahme der Fähigkeit, sich Grenzen bei der Mediennutzung zu setzen, schätzen Ältere selbst ihre digitalen Kompetenzen schlechter ein als ihre jüngeren Altersgenossen (Cousseran et al. 2023). Sind diese Befunde der Mediennutzungs- und Kompetenzforschung möglicherweise darauf zurückzuführen, dass Ältere weniger Freude am Umgang mit neuen Technologien haben? Ein Blick in aktuelle Studien zur Technikakzeptanz im Kontext von KI gibt mögliche Antworten.
Abnehmende Freude im Zeitverlauf
Studien, die den Umgang älterer Menschen mit einzelnen KI-basierten Anwendungen und vernetzten Systemen (z.B. smarte Lautsprecher, assistive Technologien, Smart Home) untersuchen, beobachten zum Untersuchungsbeginn bei den älteren Teilnehmer*innen eine große Neugier und Offenheit. Doch im weiteren Studienverlauf zeigt sich, dass Ältere immer weniger Freude daran haben, mit einem konkreten Gerät zu interagieren, obwohl sie zumeist von einer positiven Nutzungserfahrung berichten. Der abnehmende Spaß kann nicht unmittelbar auf eine mangelnde Unterstützung zurückgeführt werden, denn die Älteren erhalten vorab Schulungen in der Gerätebedienung und können während des Untersuchungszeitraums auf Materialien und technische Beratungsangebote zurückgreifen (Schlomann et al., 2024; Tural et al., 2021). In Studien zur Technikakzeptanz bleiben die Einstellungen der Älteren demnach häufig unklar.
Hingegen führen die Autor*innen von Meta-Analysen das sinkende Interesse Älterer auf eine mögliche Fehlkonzeption altersbezogener Technologien zurück. Da assistive Technologien im Gesundheits- und Pflegebereich in der Hauptsache der Überwachung patientenbezogener Vitaldaten dienten (z.B. Sturzsensoren), orientierten sich Technikentwickler*innen lediglich am Nutzeffekt. Dies habe zur Folge, dass sie bei der Produktentwicklung weder Elemente für soziale Interaktionen noch Aspekte wie Sinngenuss oder Lustgewinn mitdenken (Vrancic et al., 2024).
Mehr Kompetenz führt nicht zu erhöhter Nutzungsbereitschaft
Können Bildungsangebote wie KI-basierte Lernplattformen ältere Nutzer*innen dazu motivieren, digitale Anwendungen zukünftig zu nutzen? Eine Studie testete eine e-learning-Plattform, die Ältere mit den Funktionen der elektronischen Patientenakte vertraut macht und dazu konversationsfähige KI-Software und Gamification-Elemente einsetzt (Perotti et al. 2025). Trotz einer signifikanten Zunahme digitaler Kompetenzen der teilnehmenden Altersgruppen (50-64 Jährige sowie Über-65-Jährige) äußerten nur wenige die Absicht, die Patientenakte in der nahen Zukunft aktiv im Alltag zu verwenden. Diese Reaktion führen die Autor*innen sowohl auf die Komplexität der Lernplattform als auch auf die angestoßene Auseinandersetzung mit den Implikationen der Patientenakte zurück. Durch ihre Nutzungserfahrungen wurden die Älteren dafür sensibilisiert, wie mühsam die fortlaufende Verwaltung ihrer Gesundheitsdaten ist. Offenbar ist den Älteren der Aufwand, Dokumente hochzuladen, Meta-Daten zu hinterlegen und Zugriffsrechte zu verwalten, zu groß.
Diese Ergebnisse widersprechen der verbreiteten Annahme, dass digitale Kompetenzen unmittelbar zur Nutzung einer Technologie motivieren. Vielmehr legen weitere Studien nahe, dass andere Faktoren wie persönliche Eigenschaften, Umweltbedingungen, technologische Aspekte (z.B. mangelnde Bedienfreundlichkeit), chronische Krankheiten und Verhaltenselemente einen entscheidenden Anteil daran haben, ob ältere Menschen eine bestimmte digitale Anwendung nutzen möchten oder nicht (Perotti et al. 2025).
Notwendigkeit zur Entwicklung alterssensibler Technologien und Bildungsangebote
Die genannten Studien verweisen erstens auf die Notwendigkeit, ältere Menschen verstärkt in die Gestaltung KI-basierter Technologien und flankierender Bildungsangebote einzubinden. Zweitens wird deutlich, dass Erhebungen zur Technikakzeptanz auch jüngere Kontrollgruppen einbeziehen sollten, um zu prüfen, ob bei ihnen im Zeitverlauf ebenfalls ein Rückgang der Nutzungsfreude zu beobachten ist. Zudem könnten Wissenschaftler*innen durch eine gezielte Befragung der älteren Untersuchungsteilnehmer*innen differenziert nachvollziehen, welche Faktoren zur abnehmenden Nutzungsfreude beigetragen haben. Letztendlich besteht die Herausforderung darin, wie hedonistische Gestaltungselemente sinnvoll in die Entwicklung von Technologien integriert werden können. Die gesellschaftlich tief verwurzelten Altersbilder machen es schwierig, sich etwa für den Pflegebereich vorzustellen, wie ein Sturzsensor, der auf die eigene Verletzlichkeit verweist, so gestaltet werden kann, dass seine Nutzung als positiv empfunden wird. Solange solche und weitere offene Fragen noch nicht beantwortet sind, wird die Einstellung älterer Menschen zur Nutzung von KI eine terra incognita bleiben.
Mehr zu einigen der referierten Studien (Cousseran et al., 2023; Initiative D21, 2025; Perotti et al., 2025) erfahren Sie in der Literaturdatenbank.
Zitationsvorschlag
Bogen, C. (2025). Haben Ältere Freude an der Nutzung von KI? Einblicke in die Technikakzeptanzforschung. Blog-Beitrag auf der Projektwebsite von Digitales Deutschland, online verfügbar unter https://digid.jff.de/haben-aeltere-freude-an-ki
Literatur
Cousseran, Laura, Lauber, Achim, Herrmann, Simon, & Brüggen, Niels (2023). Kompass: Künstliche Intelligenz und Kompetenz 2023. Einstellungen, Handeln und Kompetenzentwicklung im Kontext von KI. Herausgegeben vom JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. München: kopaed.
Engelhardt, Christian, Kramp-Karrenbauer, Annegret, & Wintergerst, Ralf (2024). Digitale Teilhabe in Deutschland. Präsentation auf dem Digitaltag 2024, herausgegeben von Bitcom e.V. https://www.bitkom.org/sites/main/files/2024-06/240605bitkom-chartsdigitaltag24final.pdf
Initiative D 21 (2025). D21-Digital-Index 2024/25. Jährliches Lagebild zur Digitalen Gesellschaft. https://initiatived21.de/uploads/03_Studien-Publikationen/D21-Digital-Index/2024-25/D21_Digital_Index_2024_2025_final.pdf
Perotti, L., Stamm, O., Ferizaj, D.; Dietrich, M.; Buchem, I., Müller‑Werdan, U (2025). Evaluation of an e‑learning platform promoting electronic personal health record competence: a pilot trial in older adults. BMC Public Health, 25(1016), 1–18. https://doi.org/10.1186/s12889-025-22242-0
Schlomann, A., Even, C., Hammann, T., Heyl, V., Zentel, P., Rietz, C., & Wahl, H.-W. (2024). KI-basierte Sprachassistenz im Alltag älterer Menschen. Nutzung und Bewertung in vierwöchigen Feldstudien. Medien & Altern. Zeitschrift für Forschung und Praxis, 12(25), 10–25.
Tural, E., Lu, D., & Cole, D. A. (2021). Safely and actively aging in place: Older adults’ attitudes and intentions toward smart home technologies. Gerontology & Geriatric Medicine, 7, 1–15. https://doi.org/10.1177/23337214211017340
Vrancic, A., Hana Zadravec, H., & Orehovaki, T. (2024). The role of smart homes in providing care for older adults: A systematic literature review from 2010 to 2023. Smart Cities, 7, 1502–1550. https://doi.org/10.3390/smartcities7040062